Inhaberstrategie im Family Office

Ein gemeinsames Family Office stellt eine Inhaberfamilie vor andere Herausforderungen als ein gemeinsames Unternehmen. Wo wollen wir investieren, wo nicht? Wie eine Balance zwischen Einzel- und Familieninteresse aussehen kann, beschreiben Dr. Karin Ebel und Dr. Arno Lehmann-Tolkmitt.

Karin Ebel und Arno Lehmann-Tolkmitt

 

Die Zahl der Familien, die ihr Vermögen – sei es nicht im Familienunternehmen gebundenes oder durch den Verkauf des Unternehmens freigewordenes Kapital – gemeinsam in einem Family Office bewirtschaften, wächst stetig. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Zugang zu Investments ist bei einem gebündelten und deshalb größeren Vermögen einfacher. Darüber hinaus kann ein Family Office Kosten sparen und auch der Zeiteinsatz für die Verwaltung ist für jeden Einzelnen niedriger. Aber auch die Herausforderungen, die es bedeutet, ein Family Office langfristig gemein-sam zu betreiben, werden schnell offensichtlich: Die emotionale Bindung fällt bei einer reinen Vermögensverwaltung meist deutlich geringer aus als bei einem Unternehmen. Außerdem besteht kein echter Zwang zusammenzubleiben, da eine Realteilung von gebundenem Familienvermögen in der Regel deutlich einfacher ist als bei einem Unternehmen.

Um mit einem Family Office gemeinsam langfristig erfolgreich zu investieren, sollten Inhaberfamilien deshalb einige grundlegende Entscheidungen treffen. Dafür bietet die Inhaberstrategie, wie wir sie für Familienunternehmen kennen, gute Leitlinien. Denn für das Family Office sind dieselben Zukunftsfragen zu stellen – lediglich die Antworten sind andere.

 

1. Mitgliedschaft

Zunächst ist festzulegen, wer an den Aktivitäten des Family Office teilnehmen bzw. in diesem Rahmen investieren darf. In der Regel zählen hierzu Abkömmlinge des Gründers des Familienvermögens, aber auch Ehe- und Lebenspartner können zu diesem Kreis gehören. Anschließend sind die Rechte und Pflichten der Berechtigten festzulegen. Gibt es Vorgaben durch Eheverträge oder Pflichtteilsverzichte? Was ist bei der Erbfolge zu beachten? Dies sind nur einige Beispiele, die in diesem Zusammenhang geklärt werden sollten.

 

2. Selbstverständnis

Es sollte klar und eindeutig festgelegt werden, was der Zweck sowie die Ziele und Werte des gemeinsamen Investments sind. Warum bleiben wir zusammen? Warum wollen wir gebundenes Familienvermögen? Diese zentralen Fragen – und damit die Ziele der Familie – müssen eine tragfähige Antwort bekommen. Dann sollte das Grundverständnis bzw. die Haltung zu den Investitionen geklärt werden. So schließen einige Familien z.B. Investments aus, die nicht nachhaltig sind, Rüstungszwecken dienen oder Steueroptimierung bzw. „legale Steuervermeidung“ unterstützen. Andere Inhaberfamilien bestimmen einen Teil, den sie für gemeinnützige Zwecke einsetzen.

Schließlich ist der geplante Zeithorizont des gemeinsamen Investments zu besprechen, um Planungssicherheit zu erreichen (z.B. mindestens zehn Jahre). Wenn diese Ziele festgelegt sind, ist zu klären, in welchen Leitplanken die Umsetzung erfolgen soll und was der Familie wichtig ist. Dazu gehört auch die Definition von Anforderungen an die Professionalität und Qualifikation der Entscheidungsträger.

 

3. Inhabergeschäftsmodell

Nun ist gemeinsam festzulegen, in welcher Form bzw. internen Struktur das gebundene Familienvermögen investiert wird. Schließt sich die Inhaberfamilie einem Multi Family Office an oder baut sie selber ein Single Family Office auf? Investieren alle gemeinsam oder können sich einzelne Gruppen zusammenschließen? Sofern nicht alle immer gemeinsam investieren, ist zu klären, wie die Kosten des Family Office verteilt werden: im Verhältnis des jeweiligen Vermögens oder nach dem zeitlichen Aufwand? Festzulegen ist auch, ob das gemeinsam gebundene Vermögen über eine eigene Gesellschaft gehalten wird oder ob jedes Familienmitglied selbst Vermögensinhaber bleibt und nur das Investment gemeinsam erfolgt. An dieser Stelle sind international aufgestellte Familien besonders gefordert. So können z.B. bestimmte Investments nicht eingegangen werden, wenn US-Amerikaner zu den Investoren, d.h. zur Familie, gehören. Außerdem muss die Wegzugsbesteuerung beachtet werden, wenn Investments in Form einer direkten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erfolgen und der jeweilige Vermögensinhaber dauerhaft ins EU-Ausland zieht. Die zunehmende Internationalität der Inhaberfamilien und des Vermögens führt zu einer höheren Komplexität bei Investments und deren Controlling. Wer trägt die hierdurch verursachten Kosten? Schließlich sollten im Rahmen des Inhabergeschäftsmodells die wesentlichen Grundkennzahlen festgelegt werden. Hierzu gehören unter anderem Risiko und Rendite, aber auch das Vorhalten von Liquidität ist zu beachten, insbesondere für (Erbschaft-)Steuerzahlungen.

 

4. Corporate Governance

Auch im Family Office ist eine ausgewogene Balance zwischen Führung und Kontrolle sicherzustellen. Die Anforderungen an den Chief Family Officer (CFO) sollten gemeinsam festgelegt werden, z.B. spezifische fachliche und persönliche Qualifikationen für externe, aber auch familieninterne Kandidaten. Gleichzeitig ist das Auswahlverfahren festzulegen und wer die Entscheidung über die Anstellung und Kündigung des CFO trifft. Dabei sollte auch die Vergütungsfrage und -struktur geklärt werden. Es sollte ebenfalls festgelegt werden, was der CFO allein entscheiden darf und welche Maßnahmen einer Zustimmung bedürfen. Wollen wir als Inhaber die Zustimmung erteilen oder greifen wir auf die Unterstützung Externer zurück? Denn bei der Entscheidung über Investments und Desinvestments ist nicht nur Intuition, sondern auch detailliertes Fachwissen gefragt. Insbesondere bei größeren Familienvermögen bietet sich ein Aufsichtsgremium an, wobei die Aufgaben (Empfehlung oder Entscheidungskompetenz), Anzahl und Zusammensetzung (Verhältnis Familienmitglieder und Externe) sowie das persönliche und fachliche Anforderungsprofil des gesamten Gremiums vorab festgelegt werden sollten. Damit einhergehend ist auch das Informationssystem zu definieren, d.h., welche Informationen bekommen die Mitglieder des Aufsichtsgremiums und die Inhaber in welchen Abständen und in welcher Form.

Weitere Kernfragen im Rahmen der Corporate Governance sind die Gewinnverteilung und -verwendung (Rücklagenbildung und/oder Ausschüttung). Und schließlich die Frage nach dem Exit: In welchen Abständen und zu welchen Konditionen kann ein Mitglied ausscheiden? In der Praxis werden bei der Abfindung geringe Abschläge festgelegt, da die Anlagen häufig – auch in Teilen – ohne größere Probleme liquidiert werden können. Denkbar ist auch eine Abfindung in Sachwerten, indem der jeweilige Teil des Investments auf den Ausscheidungswilligen direkt übertragen wird.

 

5. Family Governance

Die Schwelle, aus einem Family Office auszusteigen, ist relativ niedrig, da das investierte Vermögen leicht teilbar ist und keine große emotionale Bindung besteht. Deshalb ist das Family Office besonders im Generationswechsel anfällig, sodass der Family Governance eine große Bedeutung zukommt. Der Aspekt des Zusammenhalts ist hier besonders wichtig. Denn je stärker der Zusammenhalt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelne nicht ausscheiden möchten und der Verbund auf Dauer besteht. Zu diesem Zweck können gemeinsame Aktivitäten der Inhaberfamilie geplant werden, die einen Bezug zum Familienvermögen fördern, z.B. gemeinsame Besuche der Immobilien, einer Börse oder eines Unternehmens, in das die Inhaberfamilie investiert ist. Die gemeinsamen Erlebnisse machen das Familienvermögen greifbarer und schaffen eine Basis für gemeinsame Diskussionen und Entscheidungen. Gleichzeitig kann die nächste Generation auf diesem Weg an das Familienvermögen herangeführt werden. Flankierend sind Regeln zum Verhalten und zur Kommunikation hilfreich. Auch sollte geklärt sein, wie im Fall eines Konflikts vorgegangen wird.

 

6. Rollen

Am Ende des inhaberstrategischen Prozesses wird konkret verein-bart, wer welche Aufgabe im Family Office übernehmen möchte und kann. Wenn für alle Aufgaben – sei es als Gesellschafter, Mitglied des Beirats/Anlagenausschusses oder CFO – die Anforderungen geklärt sind und sie entsprechend den Kompetenzen besetzt werden, steht einer erfolgreichen (Fort-)Führung des Family Office vonseiten der Inhaberfamilie nichts mehr entgegen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: INTES-UnternehmerBrief, 02/2019