Was ist mein Unternehmen wert? Unternehmensbewertung für Familienunternehmen

Um den Wert eines Familienunternehmens zu bestimmen gibt es verschiedene Wege und Methoden. Dr. Karin Ebel und Benedikt Kastrup stellen sie vor und erläutern ihre Funktionsweisen.

 
Teil 1 – Einführung

Jeder Unternehmer oder Gesellschafter fragt sich in regelmäßigen Abständen, was das eigene Unternehmen wert ist. Zum Beispiel, wenn er sich über eine gute Geschäftsentwicklung freut, einen Mitgesellschafter herauskaufen oder selber kündigen möchte oder wenn Erbschaftsteuer anfällt: In allen diesen Fällen ist ein Unternehmenswert zu ermitteln, der je nach Ausgangspunkt möglichst hoch oder möglichst niedrig sein soll. In der Praxis sind die Verfahren zur Unternehmensbewertung unterschiedlich und abhängig davon, für welchen Zweck bzw. Adressaten sie benötigt werden.

Anlässe für die Unternehmenswert-Ermittlungen

In vielen Fällen ist der Unternehmenswert für externe Zwecke zu berechnen, insbesondere für das Finanzamt. Werden Anteile eines Familienunternehmens im Rahmen eines Generationswechsels übertragen, muss der Finanzverwaltung für die Bemessung der Erbschaft- und Schenkungssteuer ein Unternehmenswert nachgewiesen werden. Auch bei Umstrukturierungen und Reorganisationen von Unternehmensgruppen oder Konzernen werden mitunter Unternehmenswerte benötigt. Immer dann, wenn Beteiligungsquoten durch Umstrukturierungsvorgänge beeinflusst werden können – so zum Beispiel bei der „Fusion“ zweier Unternehmen mit abweichender Beteiligungsstruktur –, stellen Unternehmenswertermittlungen faire, von Finanzverwaltung und Rechtsprechung akzeptierte neue Beteiligungsquoten sicher.

In anderen Fällen wird der Unternehmenswert für interne eigene Zwecke ermittelt. Wird beispielsweise aus strategischen Erwägungen die Veräußerung eines Unternehmens, Teilkonzerns oder Geschäftsbereiches erwogen, liefert eine Unternehmenswertermittlung Anhaltspunkte für am Markt erzielbare Kaufpreise; gleiches gilt für Überlegungen zum Erwerb von Anteilen, Unternehmen oder Unternehmensteilen. Oder auch für das Ausscheiden von Gesellschaftern gegen Abfindung.

Ein weiterer, in der Praxis noch nicht so weit verbreiteter Anwendungsfall sind sogenannte virtuelle Beteiligungen bzw. Long-Term-Incentives (LTI): Werden Fremd-Geschäftsführer oder -Vorstände ins Management eines Familienunternehmens aufgenommen, erwarten diese häufig eine finanzielle Beteiligung an der Steigerung des Unternehmenswertes, entsprechend einem Gesellschafter. Das kann sinnvoll sein, weil dadurch Anreize für ein nachhaltiges, am langfristigen Unternehmenserfolg orientiertes Handeln des Fremd-Managers geschaffen werden. Bei einer virtuellen Beteiligung wird der Fremd-Manager (rechtlich) nicht am Unternehmen beteiligt und verfügt folglich nicht über die Gesellschafterrechte. Vielmehr wird der Unternehmenswert zu einem Startzeitpunkt mit dem Wert zu einem End- oder Abrechnungszeitpunkt verglichen. Ergibt sich eine Wertsteigerung, kann der Fremd-Manager daran mit einem Anteil (quasi seiner virtuellen Beteiligungsquote) in Form einer variablen Vergütung beteiligt werden.

„Value is what you get, price is what you pay”

Zu Recht betont dieses Zitat von Warren Buffet den Unterschied zwischen Wert und Preis: Durch das im Folgenden skizzierte Verfahren lassen sich Unternehmenswerte ermitteln. Ein solcher Wert ist aber nur in den seltensten Fällen der Preis, der am Markt für einen Anteil an einem Familienunternehmen erzielt wird. Denn: Ein Preis resultiert immer aus Angebot und Nachfrage, aus einem Verhandlungsprozess. Insofern kann eine Unternehmensbewertung Anhaltspunkte für einen Kaufpreis liefern, nie aber treffsicher den tatsächlich – am Markt – erzielbaren Kaufpreis vorhersagen. Doch wie kann nun der Wert eines Anteils, Unternehmens oder gar Konzerns „berechnet“ werden?

Verfahren zu Ermittlung von Unternehmenswerten

In Theorie und Praxis gibt es vielfältige Verfahren, die sich grundsätzlich in drei Gruppen einteilen lassen:

• Vereinfachte steuerliche Verfahren
• Marktorientierte Verfahren
• Ertrags- oder Cashflow-orientierte Verfahren

Vereinfachte steuerliche Verfahren

Das sogenannte vereinfachte (steuerliche) Ertragswertverfahren aus dem steuerlichen Bewertungsrecht ist kein wirkliches Unternehmensbewertungsverfahren. Es greift Elemente betriebswirtschaftlicher Bewertungskalküle auf, beinhaltet aber zahlreiche Pauschalierungen und verwendet vor allem ausschließlich Vergangenheitsdaten. Allein schon deshalb ist das Verfahren ungeeignet, (echte) Unternehmenswerte sinnvoll abzuschätzen. Dessen ungeachtet wird dieses vergleichsweise wenig aufwendige Verfahren für steuerliche Zwecke akzeptiert.

Marktorientierte Verfahren

Die marktorientieren Verfahren basieren auf der Annahme, dass „ähnliche Unternehmen ähnlich bewertet werden“: Von einem tatsächlich am Markt entstandenen Unternehmenspreis wird auf den Wert des zu bewertenden Unternehmens geschlossen. Als Quelle können grundsätzlich „echte“ M&A-Transaktionen oder Börsenwerte herangezogen werden. Da in Europa faktisch keine repräsentativen Datenquellen für M&A-Transaktionen existieren, bleibt in der Praxis nur die Verwendung von Börsenwerten als Ausgangsgröße. So kann beispielswei-se aus dem Quotienten von Börsenwert (zzgl. Schulden) und EBIT ein sog. EBIT-Multiplikator ermittelt werden. Multipliziert man das EBIT des zu bewertenden Unternehmens damit und zieht dessen Schulden ab, erhält man – so die Idee des Verfahrens – dessen Unternehmenswert.

Die vermeintlich hohe Praktikabilität dieser Verfahren hat dazu geführt, dass sie in der Praxis recht verbreitet sind. Gleichwohl arbeiten auch diese Verfahren mit wesentlichen, wertbeeinflussenden Pauschalierungen. In Verbindung mit der eingeschränkten Verfügbarkeit von Multiplikatoren lassen sich deshalb mit diesen Verfahren Unternehmenswerte allenfalls näherungsweise bestimmen. Das ist auch der Grund, warum solche Unternehmenswertkalküle von der Finanzverwaltung nicht akzeptiert werden. Virtuelle Beteiligungen basieren regelmäßig auf marktorientierten Verfahren.

Ertrags- oder Cashflow-orientierte Verfahren

Einzig die ertrags- und Cashflow-orientierten Verfahren berücksichtigen die individuellen Ge-gebenheiten eines zu bewertenden Unternehmens. Das wird durch die detaillierte Planung künftiger Entnahmen oder Ausschüttungen auf Basis einer sogenannten integrierten Planung sichergestellt. Aus Plan-Ertragsprognosen, -Bilanzen und -Cashflow-Rechnungen werden die künftigen Zuflüsse an die Anteilseigner prognostiziert und mit einem individuell für das zu bewertende Unternehmen ermittelten Kapitalisierungszinssatz diskontiert.

Fazit

Wer wissen möchte, was sein Unternehmen wert ist, kommt um eine Unternehmensbewertung auf Grundlage eines ertrags- oder Cashflow-orientierten Verfahrens nicht herum. Multiplikator-Verfahren können erste Wert-Indikationen geben, berücksichtigen die Besonderheiten des Unternehmens aber nur ungenügend.

 

Teil 2 – Das vereinfachte Ertragswertverfahren
Anwendungsbereich des vereinfachten Ertragswertverfahrens

Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist im sog. Bewertungsgesetz normiert und findet vor allem bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Anwendung. Doch ist seine Anwendung keinesfalls darauf beschränkt. Auch im Ertragssteuerrecht wird auf das vereinfachte Ertragsverfahren zurückgegriffen. Typische Anwendungsfälle sind die Verlagerung von Unternehmensvermögen in eine ausländische Betriebsstätte bzw. Gesellschaft oder die Überführung von Anteilen an Gesellschaften ins Privatvermögen. In solchen Fällen sind die im Vermögen bzw. den Anteilen gebundenen stillen Reserven zu versteuern. Das heißt, es ist der Verkehrswert zu ermitteln und – soweit den Buchwert übersteigend – zu versteuern. Das vereinfachte Ertragswertverfahren kann in diesen Fällen der Ermittlung des Verkehrswertes dienen.

Doch leider geht die Vereinfachung der Verkehrswertermittlung zu Lasten der Genauigkeit und führt damit (häufig) zu unzutreffenden Ergebnissen. Denn das vereinfachte Ertragswertverfahren ist kein betriebswirtschaftliches Bewertungsverfahren, allein schon deshalb, weil es auf steuerlichen Vergangenheitswerten basiert. Wie der Name sagt, ist es als aufwandsreduzierende Alternative für bestimmte Fälle – insbesondere im Steuerrecht - konzipiert. Seit 2009 wird die Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer bei der Übertragung von Unternehmen und Unternehmensanteilen auf Basis realistischer Verkehrswerte ermittelt. Gesetzgeber und Finanzverwaltung haben mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren eine Alternative zur Ermittlung des Verkehrswertes mittels der klassischen aufwändigeren Unternehmensbewertung geschaffen, um mit geringerem Aufwand einen realistischen Verkehrswert abzuschätzen. Ungeachtet dessen steht den Unternehmen die Möglichkeit offen, mittels einer betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung den Wert eines Unternehmens oder eines Anteils nachzuweisen.

An dieser Stelle sei ein Hinweis erlaubt: Hin und wieder taucht im Zusammenhang mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren der Begriff des sog. Stuttgarter Verfahrens auf; mitunter werden die Begriffe sogar synonym verwendet. Hier ist Vorsicht geboten: Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist völlig anders konzipiert als das zum 1.1.2009 „abgeschaffte“ Stuttgarter Verfahren. Insbesondere in älteren und nicht aktualisierten Gesellschaftsverträgen wird bei der Abfindungsermittlung für bspw. ausscheidende Gesellschafter gelegentlich noch auf das Stuttgarter Verfahren verwiesen. Eine solche Klausel birgt enorme Risiken und sollte zeitnah geändert werden. Denn das Stuttgarter Verfahren führt in der Regel zu einem Ergebnis, das deutlich unter dem Verkehrswert liegt und damit die rechtliche Wirksamkeit der betroffenen Abfindungsregelung gefährden kann.

Zurück zum vereinfachten Ertragswertverfahren und dessen Anwendungsbereich. Grundsätzlich sind branchentypische Verfahren vorrangig anzuwenden, sofern es solche gibt. Familienunternehmen sind davon eher selten betroffen, da branchentypische Verfahren überwiegend für Freiberufler und Handwerksbetriebe existieren. Darüber hinaus stellt das Bewertungsgesetz klar, dass das Verfahren nicht bei komplexen Unternehmensstrukturen angewendet werden darf. Offen bleibt dabei, wo genau der Anwendungsbereich des vereinfachten Ertragswertverfahrens endet. In der Praxis hat sich gezeigt, dass das Verfahren auf jeden Fall dann nicht angewendet werden kann, wenn ausländische Tochterunternehmen oder wesentliche ausländische Beteiligungen bestehen. Denn die (steuerlichen) Daten sind wegen der im Ausland völlig anderen Steuersysteme nicht vergleichbar. Und es hat sich gezeigt, dass eine Anwendung in komplexen Konzern- und Gruppenstrukturen wenig sinnvoll ist und zu unzutreffenden Ergebnissen führt, da gruppen- und konzerninterne Verflechtungen im vereinfachten Ertragswertverfahren nur unzureichend berücksichtigt werden können.

Offensichtlich unzutreffende Ergebnisse durch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens sieht die Finanzverwaltung bei Start-up-Unternehmen, neuen Gesellschaften und schnell wachsenden Unternehmen.

Ermittlung des Verkehrswertes mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren

Ausgangsgröße ist der durchschnittliche steuerliche Gewinn der letzten drei Jahre (Veranlagungszeiträume) vor dem Bewertungsstichtag. Bei der Ermittlung des Durchschnittswertes sind außerordentliche Aufwendungen bzw. Erträge zu eliminieren. Von diesem durchschnittlichen Gewinn der vergangenen drei Jahre wird eine Ertragssteuerbelastung von pauschal 30 Prozent abgezogen.

Der auf diese Weise ermittelte „nachhaltige“ Gewinn wird (derzeit) mit einem Zinssatz von rd. 7,3 Prozent abgezinst. Das bedeutet, ein fiktiver Erwerber erwartet eine dauerhafte Rendite (=Gewinn des Unternehmens) auf sein eingesetztes Kapital (=Kaufpreis für das Unternehmen) von 7,3 Prozent p.a... Das entspricht einem Kapitalisierungsfaktor 13,75, mit dem der vorgenannte Gewinn multipliziert wird. Der daraus kapitalisierte Ertrag wird um nichtbetriebsnotwendige Vermögenswerte bereinigt, d.h. nicht genutzte Betriebsimmobilien oder überdurchschnittliche Liquiditätsreserven werden hinzugerechnet. Verbindlichkeiten werden dagegen nicht abgezogen. Das Endergebnis entspricht dem Verkehrswert.

Schwächen des vereinfachten Ertragswertverfahren

Das vereinfachte Ertragswertverfahren arbeitet ausgesprochen pauschal und vergangenheitsorientiert und ist deshalb kein betriebswirtschaftlich anerkanntes Bewertungsverfahren. Bereits Eugen Schmalenbach postulierte: „Der Kaufmann gibt nichts für das Gewesene!“ Der Wert eines Unternehmens begründet sich nie in den Erfolgen der Vergangenheit, sondern ausschließlich in seinem Potential, künftige Gewinne zu erzielen und auszuschütten. Dieses grundlegende betriebswirtschaftliche Paradigma ignoriert das vereinfachte Ertragswertverfahren und unterstellt, dass das Unternehmen auch in Zukunft - während seiner gesamten Lebensdauer - Gewinne auf dem Niveau der drei Jahre vor dem Bewertungszeitpunkt erzielen wird. Auch wenn die Finanzverwaltung bei Vorliegen „bekannter, objektiver Umstände“ grundsätzlich die Verwendung geschätzter künftiger steuerlicher nachhaltiger Gewinne einräumt – was in der Praxis so gut wie nie erfolgt –, bleibt in jedem Fall offen, wie diese zukünftigen Gewinne zu plausibilisieren sind.

Eine weitere Schwäche liegt in der Verwendung eines einheitlichen, nicht modifizierten Kapitalisierungszinssatzes. In der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung resultiert die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes – neben dem allgemeinen Kapitalmarktniveau im Bewertungszeitpunkt – vor allem auch aus den unternehmensindividuellen sog. finanzwirtschaftlichen, branchen- und unternehmensspezifischen Risiken. Dagegen werden beim vereinfachten Ertragswertverfahrens vollständig eigenkapitalfinanzierte Unternehmen mit demselben Kapitalisierungsfaktor bewertet wie hoch verschuldete. Gleiches gilt für Unternehmen, die ein sehr stabiles und wenig konjunkturabhängiges Geschäftsmodell betreiben, und solchen, die in hoch riskanten und/oder volatilen Märkten aktiv sind. Diese beim vereinfachen Ertragswertverfahren fehlenden Differenzierungen führen in der Regel zu verfälschten Unternehmenswerten. Weitere Schwachpunkte sind das Ignorieren von Besonderheiten in Konzern- bzw. Gruppenstrukturen und die pauschale Berücksichtigung steuerlicher Effekte sowie die Annahme einer Vollausschüttung.

Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass der Gesetzgeber den Zinssatz von derzeit 7,3 Prozent aktualisieren und damit herabsetzen könnte. Im Gegenzug würde der Kapitalisierungsfaktor von gegenwärtig 13,75 steigen und zu einer gewaltigen Erhöhung des ermittelten Verkehrswertes führen. Dabei ist in den allermeisten Fällen der mit einem Faktor 13,75 ermittelte Verkehrswert bereits deutlich höher als der Preis, den ein Käufer bereit wäre für das Unternehmen zu zahlen.

Fazit

Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist einfach aber pauschal und damit ungenau. Es kann ein erster Ansatzpunkt bei der Ermittlung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer sein. Insbesondere kann es genutzt werden, um ein erstes Gefühl für eine potenzielle Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer bei einer geplanten Übertragung von Anteilen zu bekommen. Zur Berechnung des wahren Wertes eines Unternehmens ist das vereinfachte Ertragswerterfahren dagegen nicht geeignet. Insofern ist von der Anwendung des Verfahrens bei Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen abzuraten. Und auch bei der eigenen Standortbestimmung „Was ist mein Unternehmen wert?“ hilft es nicht weiter. Für diese Fälle sind Ertrags- und Cashflow-orientierte Verfahren sinnvoll, die wir im nächsten Teil dieser Serie darstellen werden.

 

Teil 3 – Methode und Einflussfaktoren des Ertragswertverfahrens
Zentrale Grundlage: Unternehmensplanung

Wie im ersten Teil unserer Reihe zur Unternehmensbewertung bereits dargestellt, ist die Grundlage des Ertragswertverfahrens eine detaillierte Planung künftiger Erträge und daraus abgeleitet künftiger Ausschüttungen oder Entnahmen der Anteilseigner.

Idealerweise wird dafür die von der Geschäftsleitung des Unternehmens aufgestellte und vom Beirat oder Aufsichtsrat gebilligte Planung zugrunde gelegt. Die Planung sollte mindestens drei detailliert geplante Jahre umfassen. Wichtig: Für die Plausibilisierung der Planung und für eine oft erst Jahre später stattfindende fiskalische oder gerichtliche Überprüfung sind die Dokumentation der Planungsannahmen und insbesondere die Überlegungen zu künftigen Umsatz- sowie Kostensteigerungen unerlässlich. Nur wenn die Annahmen von Dritten nachvollzogen werden können und plausibel erscheinen, wird die Unternehmensbewertung einer späteren Überprüfung standhalten können.

Wenn wir hier von einer Unternehmensplanung sprechen, dann meinen wir nicht nur die Planung künftiger Erträge. Unabdingbar ist es auch, die Entwicklung des Vermögens, insbesondere des Anlagevermögens und des Working Capitals, sorgfältig zu prognostizieren. Denn nur so – wie wir noch sehen werden – können Kapitalbedarfe und letztendlich die möglichen Ausschüttungen verlässlich prognostiziert werden.

Verfügt das Unternehmen über keine oder nur rudimentäre Planungen, ist es Aufgabe des Bewerters, zunächst das Management zu interviewen und aus deren (verbalen) Einschätzungen und aufbauend auf den Vergangenheitswerten eine aus Ertrags-, Bilanz- und Cashflow-Planung bestehende integrierte und plausible Planung zu erstellen.

Unternehmensgruppen und Konzerne: Einzel- versus Konzernplanung

Immer wieder taucht die Frage auf, auf welcher Ebene denn bei Gruppen- oder Konzernstrukturen geplant werden sollte: Auf Ebene eines jeden zur Gruppe bzw. zum Konzern gehörenden Unternehmens mit anschließender Zusammenfassung oder auf konsolidierten Werten? Oder darf man – ohne explizierte Planung der Einzelergebnisse – direkt auf Ebene der Gruppen- oder Konzern-Ergebnisse mit der Planung einsetzen?

Das steuerlich vereinfachte Ertragswertverfahren (mehr hierzu im zweiten Teil unserer Reihe zur Unternehmensbewertung) lässt nur eine Planung auf Ebene der Einzelgesellschaften zu. Eine Gruppen- oder Konzern-Unternehmenswertermittlung nach dem (regulären) Ertragswertverfahren kann dagegen auch auf Konzernebene erfolgen. Sofern im Unternehmen oder Konzern mehr als ein Geschäftsbereich vereint ist, hat es sich in der Praxis bewährt, nicht auf Konzern- sondern zumindest auf Geschäftsbereichsebene zu planen: Denn nur so können unterschiedliche, ggf. gegenläufige Entwicklungen sowie abweichende konjunkturelle und/oder Branchen-Einflüsse pro Geschäftsbereich berücksichtigt werden.

Bei Unsicherheit: Szenarien-Planung

Immer wieder werden Bewerter mit Aussagen der Geschäftsleitung konfrontiert, dass es unmöglich sei, eine realistische Prognose der künftigen wirtschaftlichen Unternehmens- oder Konzernentwicklung aufzustellen. Zu mannigfaltig und komplex seien die äußeren Einflüsse und Umweltbedingungen, die sich auf die Entwicklung eines Unternehmens oder erst recht eines internationalen Konzerns auswirken würden. In der Tat ist dem so; gerade in der jetzigen Phase, da alle Unternehmen von den kaum prognostizierbaren Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind, lassen sich nur schwer eindeutige Prognosen treffen.

Abhilfe schaffen da Szenarien. Wenn es nicht möglich ist, eine wahrscheinliche Entwicklung des Unternehmens oder Konzerns zu planen, sollten zwei oder drei alternative Planungs-Szenarien erstellt werden. Derzeit planen zum Beispiel viele Unternehmen je ein Szenario ihrer künftigen Entwicklung unter Annahme keines weiteren Lockdowns und in einem alternativen Szenario unter Annahme eines erneuten Lockdowns.

Der Einwand, dass eine solche Szenario-Planung zu aufwendig sei, greift unseres Erachtens nicht, da es erfahrungsgemäß wenig Aufwand erfordert, eine einmal erstellte integrierte Planung hinsichtlich einiger weniger, ausgewählter Parameter zu modifizieren.

Hat man verschiedene Szenarien „geplant“, sind die Ergebnisse, genauer die künftigen Erträge und insbesondere Ausschüttungen zu einem (einwertigen) Durchschnitt zu verdichten. Dabei bedient man sich in der Regel Wahrscheinlichkeiten, mit denen die Ergebnisse der einzelnen Szenarien gewichtet werden. Oft anzutreffen ist zum Beispiel eine Gewichtung in der Weise, dass dem regulären oder ausgewogenen Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent und dem Best- bzw. Worst-Szenario eine Wahrscheinlichkeit von je 25 Prozent zugeordnet werden.

Ausschüttungsplanung

Aus der Ertragsplanung sind die künftigen Ausschüttungen abzuleiten. Dabei wird auf Regelungen im Familienkodex, Gesellschaftsvertrag oder falls es dergleichen nicht gibt, auf die Handhabe in der Vergangenheit oder bei vergleichbaren Unternehmen abgestellt.

Die künftig vorgesehenen Ausschüttungen sind dann in einem weiteren Schritt darauf hin zu untersuchen, ob das Unternehmen oder der Konzern die dafür notwendigen Mittel bereitstellen kann. Die bereits erwähnten kapitalbindenden Prognosen für das Anlagevermögen, das Working Capital oder Kredittilgungen in Verbindung mit geplanten kapitalfreisetzenden Kreditaufnahmen limitieren möglicherweise die beabsichtigten Ausschüttungen. Gleiches gilt für gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebene Mindestkapitalausstattungen oder Thesaurierungsmaßnahmen.

Diskontierungszinssatz: Die drei Komponenten

Der Unternehmenswert ergibt sich aus der Abzinsung der künftigen Ausschüttungen. Dabei setzt sich der Zinssatz (auch als Eigenkapital-Kostensatz bezeichnet) aus vier Komponenten zusammen. Zunächst einmal ist die Ausgangsgröße der im Bewertungszeitpunkt gültige Zins für eine risikolose Anlage. Diese Komponente ist in Deutschland derzeit 0 Prozent.

Hinzu kommt ein pauschaler Aufschlag für das dem zu bewertenden Unternehmen innewohnenden Risiko (im Vergleich zu einer risikolosen Geldanlage). Dieser Zuschlag wird aus historischen, am Kapitalmarkt beobachteten Renditen abgeleitet und beträgt in Deutschland derzeit üblicherweise zwischen 6 bis 8 Prozent, wobei oft der Mittelwert von 7 Prozent verwendet wird.

Der Risikozuschlag wird in einem dritten Schritt noch um eine branchen- beziehungsweise unternehmensindividuelle Komponente modifiziert. Dazu wertet man ebenfalls Kapitalmarktdaten aus und untersucht, ob börsennotierten ähnlichen Unternehmen am Markt höhere Risiken „zugeschrieben“ werden oder gar niedrigere. Beispielsweise haben Automobilhersteller und -zulieferer in der Regel höhere Risikozuschläge als der Marktdurchschnitt, Nahrungsmittelkonzerne in der Regel niedrigere. Diese am Markt beobachtbaren Zu- oder Abschläge werden auf das zu bewertende Unternehmen oder den Konzern übertragen.

In einem letzten Schritt wird dann noch die Verschuldung des Unternehmens zinssatzerhöhend oder -ermäßigend berücksichtigt.

Durch diese umfangreichen Modifikationen wird ein unternehmensindividueller Kapitalkostensatz ermittelt, der – wie gesagt – zur Abzinsung der Ausschüttungen herangezogen wird.

Fazit

Mit diesem Beitrag sind wir am Ende unseres kleinen Ausfluges in die Welt der Unternehmensbewertung angelangt. Das vereinfachte steuerliche Ertragswertverfahren kann bei kleineren Unternehmen verwendet oder gegebenenfalls zu einer ersten Abschätzung herangezogen werden. Die Nutzung marktorientierter Verfahren ist in Deutschland mangels öffentlich zugänglicher, repräsentativer Daten kaum möglich. Dort, wo verlässliche und die Besonderheiten eines Unternehmens oder Konzerns berücksichtigende Wertermittlung gebraucht wird, wird man immer auf das klassische, in diesem Beitrag erläuterte, Ertragswertverfahren zurückgreifen.