Onboarding der Next Generation

Welche zehn Aspekte Sie beim Onboarding der Next Generation beachten sollten, haben Prof. Dr. Sabine Rau und Dr. Matthias Händle zusammengefasst.

Sabine Rau und Matthias Händle

 

Irgendwann ist es soweit: Die nächste Generation übernimmt eine Führungsposition im Familienunternehmen. Jetzt gilt es, einige Aspekte zu beachten. Zum einen muss sich das neue Mitglied im Führungsteam bewusst sein, dass das Verhalten der Inhaberfamilie sehr genau von den Mitarbeitern beobachtet wird. Wer eine Führungsrolle im Unternehmen übernehmen möchte, sollte sich von Anfang an fragen, wie das eigene Handeln auf seine Mitmenschen wirkt und wie man von seinen Mitarbeitern gesehen werden möchte. Die persönliche Wirkung zahlt in hohem Maße auf die Akzeptanz der Führungsrolle ein.

Auf der anderen Seite müssen sich alle im Unternehmen tätigen Familienmitglieder bewusst sein, dass sich ihr Verhalten dem oder der „Neuen“ gegenüber auch auf die Akzeptanz von Seiten der Mitarbeiter auswirkt. Es sollte selbstverständlich sein, dass sie nach außen die Unterstützung des neuen Teammitglieds deutlich machen und dass Kritik nur im persönlichen Gespräch geäußert wird.

Darüber hinaus gibt es einige grundsätzliche Hinweise, an die sich Next Gens beim Onboarding halten sollten:

1. Alte Tugenden: Tugenden wie Bescheidenheit, Pünktlichkeit und andere ausreden lassen zollen dem Gegenüber Respekt und haben daher gerade im Geschäftsleben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Auch wenn je nach Unternehmenskultur die Bewertung des Verhaltens unterschiedlich sein kann, gilt: Den Mitarbeitern wertschätzend gegenüberzutreten signalisiert Respekt, regelmäßiges Zuspätkommen hingegen zeigt, dass man die eigene Zeit höher wertet, als die der anderen.

2. Verlässlichkeit: Zuverlässig zu sein gilt natürlich nicht nur für potentielle Nachfolger, aber der Ruf wird von Anfang an geprägt. Es ist wichtig, zu seinen Aussagen und Zusagen zu stehen, auch wenn dies einmal unbequem werden kann. Für den Fall, dass man jedoch erkennt, einen Fehler gemacht zu haben, sollte man diesen lieber offen eingestehen, als zu versuchen, ihn zu vertuschen. Das Handeln der Inhaberfamilie ist für das Unternehmen kulturprägend und wird von den Mitarbeitern mit den Erwartungen abgeglichen.

3. Besserwissen: Besonders Next Gens sollten sich nicht den Ruf erwerben, viel Meinung aber leider sehr wenig Ahnung zu haben. Auch wenn man von klein auf viel aus dem Unternehmen mitbekommen hat, fehlt doch oft die Erfahrung, eine Situation sofort richtig zu beurteilen. Weisheiten wie „Augen auf und Mund zu“ oder „Besser Taten als Worte sprechen lassen“, hört man als Junior sicher nicht gerne, aber man tut sich einen Gefallen, sie zu beherzigen. Dies bedeutet nicht, dass man keine Position beziehen sollte. Ganz im Gegenteil, die Mitarbeiter möchten wissen, wofür die Inhaber stehen.

4. Über andere reden: Es ist menschlich, dass man sich über die persönlichen Eigenschaften und das Handeln von Kollegen austauscht. Es ist aber oft ein schmaler Grat, ab wann das Gespräch destruktiv wird. Eine ganz andere Dimension ist Indiskretion bei Vorfällen in der Familie. Mit privaten Geschichten aus der Inhaberfamilie kann man zwar vor den Kollegen punkten, dies führt aber unweigerlich zu einem unangenehmen Kritikgespräch im Familienkreis. Größte Vorsicht ist in diesem Zusammenhang mit Pressevertretern geboten.

5. Umgang mit der eigenen Unsicherheit: Nachfolgern wird oft eine gewisse Arroganz qua Geburt unterstellt. Wenn man sich in seiner Rolle zu Beginn einfach nicht richtig wohl fühlt, kann sich diese Außenwirkung ungewollt verstärken. Ein wenig mehr Freundlichkeit, ein wenig mehr Zuhören und idealerweise echtes Interesse an den Menschen öffnet einem den Zugang und baut Hemmschwellen und Missinterpretationen ab.

6. Internet und Social Media: Spätestens mit dem Eintritt ins Unternehmen sind Next Gens – bezogen auf das Unternehmensumfeld (Gesellschafter, Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Presse, etc.) – eine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses. Somit kann alles, was veröffentlicht wird (und vor Eintritt in das Unternehmen veröffentlicht wurde) auch eine Relevanz für das Unternehmen haben. Dies kann positiv, aber leider auch schädlich sein, und zwar für den Junior als auch für das ganze Unternehmen. Dieses Thema bedürfte eines ganzen Artikels! Hier nur so viel: Es gilt mehr denn je, sich über die Wirkung seines Tuns Gedanken zu machen – und zwar nicht nur in Bezug auf die eigene Person, sondern für das ganze Unternehmen.

7. Dresscode: Zu viel ist zu viel und zu wenig ist auch zu wenig. Auch, wenn der Junior oder die Juniorin nicht anhand des Kleiderschranks beurteilt werden sollten, gibt es doch in jedem Unternehmen einen Stil, an den man sich anpassen sollte. Und ohne den eigenen Stil zu verlieren, sollte man die üblichen No-Gos im Büro vermeiden. Die Kleidung muss der künftigen Führungsaufgabe gerecht werden, es geht um Respekt und nicht um Attraktivität.

8. Auto und Parkplatz: Ja, wir sind in Deutschland. Und die Frage nach der Klasse des Autos und nach dem Parkplatz hat hier immer noch eine große Bedeutung. Hier sollte man nicht noch schlauer sein als die Mitarbeiter und versuchen, über Sonderpakete und durch Zuzahlungen ein noch auffallenderes Fahrzeug zu ordern. Auch wenn es kleinlich klingt, Fahrzeuge und wo diese geparkt werden, senden Signale.

9. Arbeitszeit: Was wurde über dieses Thema schon in Familienunternehmen gestritten. Was ist eigentlich Arbeitszeit für einen Unternehmer? Nur die Zeit im Unternehmen? Wer immer der Erste und immer der Letzte im Unternehmen ist, sollte sich die Frage nach der persönlichen Motivation stellen. In Zeiten von Homeoffice und erfolgreichen UnternehmerInnen mit Kindern sollten wir dieses Thema deutlich entspannter betrachten. Was wirklich zählt, sind nicht die Stunden, sondern das Ergebnis. Das heißt aber nicht, grundsätzlich als Letzter zu kommen und als Erster zu gehen. Vorbild wirkt.

10. Neugier und Wunsch nach kontinuierlicher Verbesserung: Nur wer sich für die Dinge begeistert und bereit ist, in die jeweiligen Aufgaben einzutauchen, wird nicht nur gute persönliche Erfahrungen machen, sondern sich den Respekt und die Anerkennung verdienen, die man braucht, um Menschen zu führen. Führen kann jeder lernen, einen Führungsanspruch daraus abzuleiten, weil man in eine Familie hineingeboren wurde, führt nur sehr selten zu einem guten Ergebnis.

 

Wie schon erwähnt, spielt die Unternehmenskultur, die Branche und auch die Persönlichkeit der handelnden Personen eine große Rolle. Unsere Hinweise sollen also als Anstoß verstanden werden, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Die meisten Unternehmerpersönlichkeiten haben ihre individuellen Ecken und Kanten und brechen nicht selten mit Regeln. Behalten Sie Ihre Kanten, wo sie Teil Ihrer Persönlichkeit sind und werfen Sie sie über Bord, wo es sich nur ums Prinzip, oder, schlimmer noch, um Unüberlegtheit handelt.