Die Welt ändert sich mehr denn je. Ändern wir uns schnell genug mit ihr?

Die Welt der Familienunternehmen verändert sich rasant. Und die Unternehmen verändern sich mit ihr. Unser Partner Dr. Dominik von Au erklärt, wie Familienunternehmen sich schnell genug anpassen können und wie wichtig dabei das veränderte Mindset der nächsten Generation ist.

Dominik von Au

 

Die immer noch anhaltende Corona-Pandemie und der furchtbare russische Angriffskrieg in der Ukraine mit seinen weltweiten humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen führen uns aktuell eine Tatsache so deutlich vor Augen, wie schon lange nichts mehr: Die Welt, in der die deutschen Familienunternehmen erfolgreich geworden sind, existiert so nicht mehr. Eine neue Weltordnung in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Sicht, die immer schneller werdende digitale Revolution und die spürbar nachlassende Bereitschaft, persönliche Interessen hinter diejenigen einer Gemeinschaft zurückzustellen, stellen uns vor große gesellschaftliche und unternehmerische Herausforderungen. Weil nichts mehr sicher ist, müssen wir nun mit neuen Variablen denken und uns als Familienunternehmen die Stärken junger Unternehmerinnen und Unternehmer frühzeitig zunutze machen.

Gerade erst schien Europa die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie überstanden zu haben, da erreichen uns täglich neue Berichte über das unermessliche menschliche Leid, das die Kämpfe in der Ukraine anrichten. Die Auswirkungen des Krieges auf Energieversorgung, Lieferketten und Finanzsysteme treten daneben erst einmal in den Hintergrund. Zusätzlich zu dem großen Engagement, das viele Familienunternehmer:innen zum Beispiel bei der Lieferung von Hilfsgütern in die Ukraine oder bei der Unterstützung von Geflüchteten zeigen, müssen sie nun auch dafür sorgen, ihre Unternehmen vollumfänglich krisenfest zu machen. Dabei hilft Erfahrung – und zunehmend auch ein Mindset, das sich nicht nur auf permanente Unsicherheit einstellen kann, sondern in ständiger Veränderung stets die Chancen erkennt. Und weil die jungen Unternehmer:innen der Generationen Y und Z genau dieses Mindset mitbringen, sollten Inhaberfamilien jetzt auf ihre Stärken setzen und sie noch frühzeitiger einbinden.

Die Now Gen und die Next Gen sind von digitalen Technologien geformt worden. Beide Generationen schrecken weder vor Wandel noch vor Tempo zurück, setzen bei den derzeitigen nur schwer greifbaren Unwägbarkeiten sowohl auf Netzwerke als auch auf Kooperationen. Gemeinsam sind sie stärker und schlauer! Und sie haben den Mut, in der Vergangenheit Bewährtes infrage zu stellen und die notwendigen Veränderungen oft auch gegen Widerstände durchzusetzen. Ihnen ist dabei bewusst: Sie können nur dann Erfolg haben, wenn sie eine Balance finden. Wenn sie Neues erproben und Bestehendes immer weiterentwickeln. Denn die Welt ändert sich. Und wir ändern uns mit ihr. Die Frage ist nur: Tun wir es schnell genug?  

Fünf kurze Thesen, warum das Mindset der Generationen Y und Z dafür sorgen wird, dass Familienunternehmen sich auf Zeiten permanenten Wandels noch erfolgreicher einstellen können:

 

These eins: Sie denken anders

Erst die Terroranschläge 2001, dann die Finanzkrise 2008 und nun nach der Corona-Pandemie ein Krieg direkt vor unserer Haustüre. Die neue Generation erlebt in ihren prägenden Jahren einen immensen Wandel – im Guten wie im Schlechten, wirtschaftlich, gesellschaftspolitisch und technologisch. Insbesondere die Generation Z der nach 1995 Geborenen ist in dynamischen Zeiten aufgewachsen. Aus dieser permanenten Veränderung hat sich aber auch die Abgeklärtheit entwickelt. Diese Generation hat – noch stärker als ihre Vorgängergeneration Y – eine Maxime verinnerlicht: Akzeptanz von Wandel, mehr noch: Freude am Wandel – das ist eine Eigenschaft, die den neuen Generationen helfen dürfte. Die Rahmenbedingungen für die meisten Geschäftsmodelle verändern sich mit der Digitalisierung ebenso rasant wie radikal. Die neue Generation weiß, dass eine überarbeitete Website nicht reicht. Auch eine Neuausrichtung von Marketing und Vertrieb oder Customer-Relationship-Management und Social Media ist nicht genug.

These zwei: Sie lieben Teams

Die Digitalunternehmerin Verena Pausder hat es in einem Interview mit dem Handelsblatt auf den Punkt gebracht: „Wahre Leader müssen keinem aufs Brot schmieren, wie toll sie sind.“ Führungskräfte sollten durch Persönlichkeit glänzen, Mitarbeiter:innen nicht durch Herablassung einschüchtern, Gespräche auf Augenhöhe führen. Damit ist Pausder Vertreterin eines neuen Unternehmertyps. Die jüngeren Unternehmer:innen haben oft exzellente Hochschulen besucht, in denen Teamarbeit Bestandteil allen Lernens war. Sie haben dort Probleme als Mannschaft gelöst, nicht als Einzelkämpfer. Jetzt nutzen sie die Chance, hierarchische Strukturen zu agilen Organisationen umzubauen. Die Mannschaft als Star – diesen Gedanken hat gerade die nächste Generation verinnerlicht. Die Erfahrungen der Pandemie mit der Herausforderung, trotz Homeoffice und dem Trend zu „work from anywhere and anytime“ alle Mitarbeitende sinnstiftend einzubinden, dürfte die Notwendigkeit zur Umsetzung dieser Einstellung der Next Gen einmal mehr unterstrichen haben.

These drei: Sie können Prototyping

1967 drückte Willy Brandt auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin einen roten Knopf. Der Start des Farbfernsehens – das sich 30 Jahre lang nicht änderte. Seit der Jahrtausendwende hingegen bekamen die Zuschauer:innen mit HD Ready, Full HD und 4K drei Übertragungsstandards, und nun gibt es seit letztem Jahr schon 8K. Jeder Gerätezyklus verspricht eine höhere Bildqualität. Ein Beispiel dafür, wie rasch Innovationszyklen geworden sind. Noch beschleunigter ist die Schlagzahl bei Smartphones – einer Produktkategorie, die es erst seit fünfzehn Jahren gibt. Die Kunden rechnen jedes Jahr mit einem neuen iPhone mit verbesserter Kamera, einem neuen Android mit leistungsfähigerem Prozessor. Ein Zeitdruck, dem das klassische Produktmanagement kaum standhalten kann.

Doch die Generationen Y und Z kennen keinen anderen Takt. Sie glauben daran, dass Ideen binnen weniger Monate vom Entwurf zum Produkt werden können. So erleben sie es nicht nur bei ihren Smartphones, sondern auch bei befreundeten Start-ups. Deren Methode: Rapid Prototyping, einfaches, automatisiertes, schnelles – und daher günstigeres – Prototyping. Misserfolge schrecken nicht. Sie setzen auf das Konzept des „fail forward“: Wer früh scheitert, kann mit einem überarbeiteten Produkt am Markt sein, bevor die vorsichtigere Konkurrenz ihre Pläne umgesetzt hat. Ein Mentalitätswandel, mit dem die Next Gen Familienunternehmen bereichern wird – insbesondere jene mit patriarchalisch geprägten Strukturen, in denen Mitarbeitende zuvor aus Angst keine Patzer eingestehen konnten. Mit fatalen Folgen. Furcht lähmt schließlich Kreativität.

These vier: Sie leben Technologie

Generation Y ist technikaffin. Doch für Generation Z hat das Smartphone Fernsehen, Kino und Radio ersetzt, mit YouTube, TikTok, Netflix und Spotify. Bislang hat erst eine Vorhut den Arbeitsmarkt erreicht. Doch sobald Generation Z die Nachfolge in Familienunternehmen antritt, muss sich eines ändern: das Equipment. Sie haben erlebt, dass „technological literacy“ – die Fertigkeit, Technologie zu nutzen, zu begreifen und einzuordnen – wichtig ist. Mit dieser Erfahrung wird die Generation Z gerade in Familienunternehmen mit sehr mittelständisch geprägten Unternehmensstrukturen wichtige und notwendige Denkanstöße liefern.

These fünf: Sie fördern Redesign und New Work

Im Alter von 27 hat er einen Milliardenkonzern übernommen: Christian Berner, Jahrgang 1984, leitet seit 2012 das Schrauben- und Chemie-Handelsunternehmen Berner. Sein erster Schritt war, die Digitalisierung einzuleiten. Sein zweiter Schritt, die Urbanisierung anzuerkennen. Er verlegte die Konzernzentrale von Künzelsau nach Köln. Jetzt sitzt die Berner-Gruppe im Rheinauhafen Köln, wo sie sich unweit von Großkanzlei, Yogastudio und Sternekoch angesiedelt hat.

Die Start-up-Atmosphäre bei Berner mit Open-Space-Arbeitsbereichen ist kein Zufall. Die Leistungsträger von morgen möchten keine Betonklötze mit langen Fluren und verschlossenen Türen, mit Stellwänden und Zimmerpflanzen. Wir müssen Orte schaffen, an denen sich Kreativität entfalten kann – mit offenen Räumen, flexiblem Mobiliar und natürlich digitalen Technologien. Die klassische Büroarchitektur verhindert den persönlichen Austausch, der wiederum Innovationen überhaupt ermöglicht. Das Redesign der traditionellen Arbeitsplätze sollte ureigenes Interesse der Familienunternehmen sein. Nur so gewinnen sie die Nachfolger der Generation Y: Die Generation Z.

Fazit

Die digitale Revolution und eine neue Zeit der globalen Unsicherheiten verändert Familienunternehmen immer umfassender und schneller. Doch mit ihrem Mindset sind die Generationen Y und Z genau die Richtigen, um in den Unternehmen ihrer Eltern und Großeltern notwendig Impulse zu geben – sei es in der Führung oder über die Mitwirkung in Aufsichtsgremien. Denn die Unternehmer:innen aus den Generationen Y und Z verbindet eine Gemeinsamkeit: Technologien und permanente Veränderungen haben sie geprägt. Dieses Potential sollten wir nicht ungenutzt lassen, sondern frühzeitig mit Verantwortung fördern. Und sie einbinden.

Sehr positiv stimmt, dass viele Unternehmerfamilien verstanden haben, dass ein nachhaltig erfolgreiches Familienunternehmen nun mehr denn je eine umfassende überarbeitete Strategie benötigt. Das beginnt auf Ebene der Gesellschafterfamilie mit der Erarbeitung einer klaren Inhaber-Strategie. Die Inhaber-Strategie ist ein machtvolles Instrument, denn sie nimmt Unternehmen und Familie gleichermaßen in den Blick und verbindet sie zu einer starken Einheit. Eine Familie bleibt nur eine Unternehmerfamilie, wenn sich ihr Unternehmen am Markt behauptet. Und ein Unternehmen bleibt eben auch nur so lange Familienunternehmen, wie die Familie zum Unternehmen steht. Wissen wir alle. In Zeiten permanenten Wandels, sich verändernder Geschäftsmodelle, stark wachsender Gesellschafterkreise mit kleiner werdenden Anteilen und unterschiedlichen Sichtweisen und Haltungen, ist eine gemeinsam erarbeitete Inhaber-Strategie, verschriftlicht in einer Familienverfassung, demnach notwendiger denn je.

So wirkt eine Familienverfassung als ein unverzichtbarer Kompass für erfolgreiche Familienunternehmen. Zur Erarbeitung einer solchen legen meine Kolleg:innen und ich gemeinsam mit Unternehmerfamilien heute für morgen u.a. fest, welches gemeinsame Selbstverständnis, welche Werte und Ziele Familie und Unternehmen verfolgen, wie die Grundzüge des Geschäftsmodells von morgen unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen aussehen und welche Leitgedanken für die Geschäftsführung gelten sollen, welche Strukturen und Entscheidungsprozesse morgen und übermorgen zielführend sind, welches Regelwerk für die Inhaberfamilie gilt, wer unter welchen Bedingungen am Familienunternehmen beteiligt wird und wie die „Gremienfähigkeit“ im Gesellschafterkreis hergestellt wird. Das gibt Klarheit und Richtung. In der heutigen Zeit ist das notwendiger denn je!