Mit dem Drei-Dimensionen-Modell von Prof. Dr. Peter May

 

So wie jedes Familienunternehmen individuell ist, sind es auch die Herausforderungen für Unternehmen und Inhaberfamilie. Was für einen Alleininhaber richtig ist, passt für einen Gesellschafterkreis mit mehreren Hundert Gesellschaftern oft nicht mehr. Ein inhabergeführtes Familienunternehmen braucht andere Regeln als eines, das von einem familienfremden Manager geführt wird. Und in einem Unternehmen, das sich auf ein Kerngeschäft fokussiert, stellen sich andere Herausforderungen als in einer breit diversifizierten Unternehmensgruppe oder in einem Family Investment Office.

Mithilfe des 3-Dimensionen-Modells kann die dadurch entstehende Komplexität erheblich reduziert werden. Denn das 3-Dimensionen-Modell teilt die Welt der Familienunternehmen entlang dreier Dimensionen in Teilgruppen mit ähnlichen Problemstellungen ein. Auf diese Weise wird es der Inhaberfamilie möglich, sich und ihr Unternehmen als ein spezifischer Typus von Familienunternehmen zu erkennen und die mit dieser Einordnung üblicherweise verbundenen Herausforderungen zu verstehen. Die drei dafür maßgeblichen Dimensionen sind:

  1. die Inhaberstruktur, also die Art der familiären Inhaberschaft,
  2. die Governance-Struktur, also die Art der Einflussnahme der Familie auf das Unternehmen
  3. die Unternehmensstruktur, die Art der unternehmerischen Investition der Familie

 

3 Dimensionen Modell

 

1. Die Art der familiären Inhaberschaft (Inhaberstruktur)

Zwar eint alle Familienunternehmen die dominante Inhaberschaft einer Familie mit einem generationsübergreifenden Unternehmerverständnis, doch kann diese in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten.

 

Der Alleininhaber

Die alleinige Inhaberschaft über die in Familienbesitz befindlichen Unternehmensanteile ist ein typisches Erscheinungsmerkmal der Gründergeneration. Sie kann aber auch in späteren Generationen auftreten, wenn der Inhaber nur einen Nachfolger hat oder sich für einen von mehreren potenziellen Nachfolgern entscheidet.

Typische Herausforderungen für Alleininhaber

  • Alleinsein
  • Machtmissbrauch
  • Abhängigkeit vom Alleininhaber
  • ungeplanter Ausfall
  • Nachfolge

 

Die Geschwistergesellschaft

Aus der Alleininhaberschaft des Gründers wird in der zweiten Generation in der Regel eine Geschwistergesellschaft, bei der die familiäre Inhaberschaft auf mehrere Geschwister aufgeteilt ist. Die Geschwistergesellschaft weist gegenüber der Alleininhaberschaft eine gesteigerte Komplexität der familiären Inhaberschaft auf.

Typische Herausforderungen für Geschwistergesellschaften

  • Geschwisterrivalität
  • fehlende Inhaberkompetenz
  • nachlassender Unternehmergeist

 

Das Vetternkonsortium

In den Folgegenerationen verwandelt sich die Geschwistergesellschaft meist in ein Vetternkonsortium. An die Stelle von Brüdern und Schwestern treten Vettern und Cousinen als Träger der dominanten familiären Inhaberschaft.

Typische Herausforderungen für Vetternkonsortien

  • zunehmende Diversität
  • alte Rivalitäten
  • fehlende Inhaberkompetenz
  • nachlassender Unternehmergeist
  • reduzierte Inhaberidentifikation
  • nachlassender Zusammenhalt

 

Die Familiendynastie

Das Vetternkonsortium währt in der Regel mehrere Generationen, bevor es aufgrund der großen Zahl beteiligter Inhaber in eine neue Erscheinungsform, die Familiendynastie, umschlägt. Mit der quantitativen Zunahme der Inhaberzahl verändert sich die Inhaberschaft auch qualitativ. Marginalisierung der Anteile sowie Entpersonalisierung der Beziehungen zum Unternehmen und innerhalb der Familie sind die konstituierenden Merkmale der Familiendynastie.

Typische Herausforderungen für Familiendynastien

  • fehlender Zusammenhalt
  • reduzierte Inhaberidentifikation

 

2. Die Art der Einflussnahme der Familie auf das Unternehmen (Governance-Struktur)

Die zweite Dimension, in der sich Familienunternehmen voneinander unterscheiden, ist die Art und Weise, in der die Inhaberfamilie Einfluss auf die Führung ihres Unternehmens nimmt.

 

Das inhabergeführte Familienunternehmen

Viele Familienunternehmen werden von ihren Inhabern geführt. Die vollständige Identität zwischen Inhaberschaft und Führung ist vor allem bei Unternehmensgründern und bei kleinen Familienunternehmen die Regel. Aber auch in größeren Familienunternehmen bleibt die vollständige Identität von Inhaberschaft und Führung möglich, wenn der Kreis der Inhaber klein ist.

Typische Herausforderungen für inhabergeführte Familienunternehmen

  • Alleinsein
  • Abhängigkeit vom Unternehmer
  • ungeplanter Ausfall
  • Nachfolge

 

Das familiengeführte Familienunternehmen

Wenn in späteren Generationen die Zahl der Inhaber zunimmt, ist es irgendwann nicht mehr möglich, die vollständige Identität zwischen Inhaberschaft und Führung aufrechtzuerhalten. Nicht selten teilt sich die Gruppe der Inhaber dann in solche, die aktiv an der Führung des Unternehmens mitwirken, und nicht im Unternehmen tätige Inhaber. Aus dem inhabergeführten wird ein familiengeführtes Familienunternehmen.

Typische Herausforderungen für familiengeführte Familienunternehmen

  • Ämterrivalität
  • Interessengegensätze zwischen tätigen und nicht tätigen Inhabern

 

Das familienkontrollierte Familienunternehmen

Manche Inhaberfamilie zieht den Schluss, es sei besser, die Führung des Unternehmens familienfremden Personen zu überlassen und sich auf die Wahrnehmung der Steuerungs- und Kontrollfunktion zu beschränken.

Typische Herausforderungen für familienkontrollierte Familienunternehmen

  • Finden und Binden geeigneter Manager
  • Prinzipal-Agenten-Konflikt
  • nachlassende Inhaberidentifikation

 

Das fremdgesteuerte Familienunternehmen

Noch weniger Einfluss nimmt eine Familie, die nicht nur die Führung, sondern auch die Kontrolle ihres Unternehmens familienfremden Personen überlässt. Fremdgesteuerte Familienunternehmen sind in der Praxis selten, denn in der Regel führt der Verlust der Inhaberkontrolle früher oder später zum Verlust des Familienunternehmens.

Typische Herausforderungen für fremdgesteuerte Familienunternehmen

  • Klumpenrisiko
  • hohe Abhängigkeit von Dritten

 

3. Die Art der unternehmerischen Investition der Familie (Unternehmensstruktur)

Die dritte Dimension, in der Familienunternehmen sich voneinander unterscheiden, ist die Art der unternehmerischen Investition. Das Ein-Produkt-Unternehmen, die diversifizierte Gruppe oder die Family Offices wohlhabender Unternehmerfamilien – sie alle sind Familienunternehmen und verkörpern doch unterschiedliche Erscheinungsformen dieses Typs.

 

Das junge Familienunternehmen

Nicht immer steht am Beginn eines Familienunternehmens eine geniale Erfindung, stets aber beginnt seine Geschichte mit einem Pionier, der den Mut und die Kraft besitzt, ein Unternehmen zu gründen und zum Erfolg zu führen.

Typische Herausforderungen für junge Familienunternehmen

  • keine Abhängigkeit vom Gründer
  • Geschäftsidee
  • knappe Ressourcen
  • fehlende Professionalität
  • hohes Risiko

 

Das fokussierte Familienunternehmen

Übersteht das junge Unternehmen die Pionierphase erfolgreich, wird es zu einem fokussierten Familienunternehmen. Es hat eine erfolgversprechende Geschäftsidee gefunden und begonnen, diese auszunutzen. Es wächst und reift und bleibt doch fokussiert, auch wenn Ausflüge in verwandte Produkte oder Dienstleistungen die Abhängigkeit von der ursprünglichen Geschäftsidee verringern helfen.

Typische Herausforderungen für as fokussierte Familienunternehmen

  • Lebenszyklus-Risiken
  • „Alle Eier in einem Korb“

 

Das diversifizierte Familienunternehmen

Manche Inhaberfamilien entscheiden sich deshalb zu einer Diversifikation ihres unternehmerischen Risikos. Anstatt alle Eier in einen Korb zu legen, haben die Inhaber eine Strategie der Risikostreuung gewählt, ohne ihren unternehmerischen Führungsanspruch aufzugeben. Alle Unternehmensbereiche werden unternehmerisch geführt. Der Unterschied zum fokussierten Familienunternehmen besteht lediglich darin, dass es sich um verschiedene Unternehmen mit unterschiedlichem Risikoprofil handelt.

Typische Herausforderungen für diversifizierte Familienunternehmen

  • professionelles Portfoliomanagement
  • Ressourcenzersplitterung
  • reduzierte Inhaberidentifikation

 

Das Family Investment Office

Viele Inhaberfamilien, die ihre ursprünglichen Familienunternehmen verkauft haben, agieren inzwischen mit Family Investment Offices am Markt. Im Vergleich zum diversifizierten Familienunternehmen wird die Risikobegrenzung beim Family Investment Office noch einen Schritt weiter getrieben. Unternehmerfamilien, die ein Family Investment Office besitzen, handeln als Investoren, nicht als aktive Unternehmer (sieht man vom Family Investment Office selbst einmal ab). Ihr Erkennungsmerkmal ist der (überwiegende) Verzicht auf unternehmerische Führung, ihr Primärziel die unternehmerische Vermögensverwaltung und nicht das Betreiben eines oder mehrerer Unternehmen.

Typische Herausforderungen für das Family Investment Office

  • Fehlen der erforderlichen Spezialkompetenz
  • reduzierte Inhaberidentifikation

 

AUSFÜHRLICHER BEITRAG ZUM 3-DIMENSIONEN-MODELL