Die Inhaberbilanz

Für den Erfolg von Familienunternehmen braucht es eine gemeinsame Haltung der Inhaberfamilie. Dr. Matthias Händle erklärt, warum sich die Inhaberbilanz als wertvolles Werkzeug erweist, um diese gemeinsame Haltung regelmäßig zu überprüfen und im Tumult des Tagesgeschäfts umzusetzen.

Matthias Händle


Inhaber eines Familienunternehmens sollten sich regelmäßig die Frage stellen, welche ihrer gesetzten Ziele im Hinblick auf Unternehmen, Familie und Vermögen sie erreicht haben. Idealerweise wurden diese Ziele im Rahmen einer Inhaberstrategie festgelegt. Fast so herausfordernd wie die Erarbeitung einer Inhaberstrategie sind jedoch deren Umsetzung und regelmäßige Kontrolle. Denn wie so oft bleiben im Tumult des Tagesgeschäfts die Zeit und Muße für strategische Überlegungen auf der Strecke.

In Bezug auf die Unternehmensstrategie haben zwar viele Unternehmen einen festgelegten Jahreskalender, in dem man sich oftmals im Herbst die Zeit nimmt, die Unternehmensstrategie zu überprüfen bzw. weiterzuentwickeln. Bedauerlicherweise erfolgt eine Rückkopplung mit der eigentlichen Inhaberstrategie – besonders bei fremdgeführten Unternehmen – jedoch in den wenigsten Fällen.

Somit kann sich ein Teufelskreis ergeben, in dem nicht die Strategie den Weg vorgibt, sondern das Tagesgeschäft. Man wird quasi von den sich ändernden Faktoren getrieben. Das Tagesgeschäft blockiert die Sicht auf das Ganze und eine Priorisierung ist nur bedingt möglich. Mit „Gefangenen“ dieses Kreislaufes führen wir regelmäßig Gespräche, die uns einerseits beipflichten, dass man sich die Zeit für strategische Themen nehmen müsse, aber andererseits gleichzeitig darauf hinweisen, dass dafür im Laufe des Jahres keine Zeit bereitstehe.

Hier setzt die Inhaberbilanz an. Sie ist ein Instrumentarium für die Inhaberfamilie, um innerhalb eines definierten Zeitplans und mit einem definierten Setup alle Themen der Familie strukturiert zu diskutieren. Im Laufe eines Jahres sind viele Ereignisse auf die Familie und das Unternehmen eingeprasselt. Planbares wurde erreicht, anderes nicht und manches hat sich viel besser oder einfach nur anders realisiert. Viele werden den vermeintlich unnötigen Aufwand beim Zusammentragen dieser Themen fürchten. Dies gilt – wenn wir ehrlich sind – auch für eine normale Bilanz oder eine Umweltbilanz. Wenn alles super läuft, brauchen wir weder das eine noch das andere.

Ich bin davon überzeugt, dass eine Inhaberbilanz den Anstoß bringt, die verabredeten Ziele besser zu erreichen. Sie fördert die interne Kommunikation und hilft, schneller auf geänderte Bedingungen zu reagieren. Die Inhaber kommen vor der Welle der Veränderungsdynamik zueinander und bleiben nicht Getriebene der Veränderung.

Bei alledem bietet sich folgender Ablauf an: Einmal im Jahr, vorzugweise ca. sechs Monate nach der Gesellschafterversammlung, wird ein auf die Unternehmerfamilie zugeschnittener, standardisierter Fragenkatalog erhoben (siehe Tabelle). Neben der Beantwortung dieser Fragen, für die ca. 15 Minuten benötigt werden, werden außerdem zum Beispiel in einem maximal 30-minütigen Telefonat oder bei einem größeren Gesellschafterkreis in einem zweiten Fragebogen weitere Aspekte, wie z.B. Geburten, Eheschließungen, Scheidungen, erfasst und in der Inhaberbilanz zusammengefasst.

Das so entstehende Dokument wird von Jahr zu Jahr fortgeführt, sodass die Veränderungen festgehalten werden. Als Ergebnis des Fragebogens gibt es einen Zahlenteil, der durch die Erkenntnisse aus den Interviews verbal ergänzt wird.

Insbesondere durch die Veränderung der Ergebnisse von Jahr zu Jahr und durch die individuellen Abweichungen bei den Beurteilungen ergibt sich eine strukturierte Diskussionsgrundlage. Eine gewichtete Analyse nach Geschäftsanteilen, nach aktiven und stillen Gesellschaftern sowie nach Generationszugehörigkeit könnte auf dieser Basis durchgeführt werden. Diese Themen bzw. die Konsequenzen daraus werden in jedem Fall in der Inhaberbilanz-Besprechung behandelt werden müssen.

 

Inhaberbilanz-Besprechung

Ein Treffen zur Bilanzbesprechung sollte idealerweise gerade nicht in zeitlichem Zusammenhang mit der Unternehmensbilanz-Besprechung organisiert werden, in der die operativen Jahresergebnisse vorgestellt werden, sondern im Rahmen der Inhaberbilanz-Besprechung. Dies hat folgende Vorteile: Durch die Regelmäßigkeit dieser Familientreffen können die sich anbahnenden Themen bereits in ihrem Beginn bearbeitet werden. Missverständnisse schaukeln sich nicht hoch und inhaberstrategische Überlegungen können frühzeitig in die Unternehmensstrategie einfließen. Durch das Auseinanderfallen der Firmenbilanz und der Inhaberbilanz entsteht Raum, sich mit den Themen sachlich auseinanderzusetzen und den Fokus nach vorne zu richten. Durch die Vorwärtsorientierung entsteht darüber hinaus ein Commitment für die Unternehmensentscheidungen. Es ist zu erwarten, dass es als Ergebnis der Inhaberbilanz-Besprechung zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Inhaberstrategie kommt.

Jedes Familienmitglied wird mit dem Fragebogen und dem Interview im Vorfeld belastet. Nach Erstellung der Unterlagen gilt es, diese zur Vorbereitung der Familiensitzung zu analysieren. Dies wird in der Regel ein Familienmitglied oder ein Gremium von Familienmitgliedern übernehmen (Familienmanager). Ferner wird – je nach Komplexität – einmal im Jahr ein halber oder auch ein ganzer Tag zur gemeinsamen Bearbeitung anzusetzen sein. Dies steht meiner Meinung nach in einem guten Verhältnis zu dem erreichten Nutzen für die Inhaberfamilie.

 

Fragenkatalog für die Erstellung einer Inhaberbilanz

  1. Für wie zukunftsfähig halten Sie die gegenwärtige Unternehmensausrichtung?
  2. Für wie zukunftsfähig halten Sie das gegenwärtige Management?
  3. Für wie harmonisch halten Sie den Gesellschafterkreis?
  4. Fühlen Sie sich in Familienangelegenheiten ausreichend informiert?
  5. Fühlen Sie sich in Unternehmensangelegenheiten ausreichend informiert?
  6. Ist das Unternehmensreporting angemessen?
  7. Für wie vertrauenswürdig halten Sie den Beirat?
  8. Für wie qualifiziert halten Sie die Inhaber?
  9. Wie beurteilen Sie den Stand der Qualifizierung der NextGen?
  10. Entsprechen alle relevanten Verträge dem gewünschten Stand?
  11. Werden Ihrer Meinung nach neue Geschäftsfelder angemessen bearbeitet?
  12. Werden Themen der Nachhaltigkeit angemessen bearbeitet?
  13. Wird Ihrer Meinung nach die NextGen ausreichend an das Unternehmen
    herangeführt?
  14. Halten Sie das Verhältnis von Ausschüttung und Reinvestition im Unternehmen für angemessen?

Diese Fragen sollten von allen Familienmitgliedern auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = gar nicht, 10 = absolut) beantwortet werden.

 

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: INTES-UnternehmerBrief, 04/2018