PETER MAY: IM GESPRÄCH mit Armin Steuernagel

In dieser Folge unseres Family Business Podcasts spricht Prof. Dr. Peter May mit Armin Steuernagel, einem jungen Unternehmer der auf dem besten Wege ist, Rechtsgeschichte zu schreiben. Er kämpft für die Einführung einer neue Rechtsform, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen.

PETER MAY: IM GESPRÄCH – Der Family Business Podcast

#3 - Prof. Dr. Peter May im Gespräch mit Armin Steuernagel

 

Armin Steuernagel und Peter May

 

Armin Steuernagel ist ein junger Unternehmer, der auf dem besten Wege ist, Rechtsgeschichte zu schreiben. Denn er will nicht mehr und nicht weniger als das deutsche Gesellschaftsrecht um eine weitere Rechtsform zu erweitern. GmbH & Co. KG, GmbH, AG und SE - für Armin Steuernagel und seine Mitstreiter ist das nicht genug, um eine erfolgreiche Zukunftssicherung unserer Familienunternehmen zu gewährleisten. Sie fordern eine neue Rechtsform: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Im Podcast spricht Armin Steuernagel mit Prof. Dr. Peter May über seine persönliche Unternehmergeschichte, seine Beweggründe für die Initiative und er erzählt, wie weit das Projekt inzwischen gediehen ist und was es für das traditionelles Verständnis von Familienunternehmen bedeutet.

 

Folge #3
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Transkription

00:00:30
Peter May: Guten Tag, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Name ist Peter May und ich begrüße Sie zu unserem heutigen Podcast zum Thema „Stichwort Verantwortungseigentum: Schreckgespenst oder Hoffnungsschimmer für Familienunternehmer“. Mein heutiger Gast ist Armin Steuernagel, ein junger Unternehmer, der auf dem besten Wege ist, Rechtsgeschichte zu schreiben. Denn Armin Steuernagel will nicht mehr und nicht weniger als das deutsche Gesellschaftsrecht um eine weitere Rechtsform zu erweitern. GmbH & Co. KG, GmbH, AG und SE - für Armin Steuernagel und seine Mitstreiter ist das nicht genug, um eine erfolgreiche Zukunftssicherung unserer Familienunternehmen zu gewährleisten. Sie fordern eine neue Rechtsform: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Warum das so ist, wie weit das Projekt inzwischen gediehen ist und was es für unser traditionelles Verständnis von Familienunternehmen bedeutet, darüber möchte ich mit meinem heutigen Gast sprechen. Herzlich Willkommen lieber Armin Steuernagel.

00:01:35
Armin Steuernagel: Ja, schönen guten Tag! Danke für die Einladung.

00:01:38
Peter May: Nun lassen Sie mich gleich mit einer ersten Frage beginnen. Wenn man ein so anspruchsvolles Projekt in Anspruch nimmt, ein Projekt, das viel Zeit und Energie braucht, dann braucht es eine starke Motivation. Was hat Sie persönlich veranlasst, sich für eine neue Rechtsform stark zu machen?

00:01:58
Armin Steuernagel: Das sind auf der einen Seite persönliche Gründe, weil ich selbst den Bedarf erlebt habe und auf der anderen Seite auch natürlich eher volkswirtschaftliche Überlegungen, die mich dann noch stärker motivieren, mich dafür einzusetzen. Ich kann ja vielleicht mit dem Persönlichen beginnen. Ich habe selbst in meiner Jugend zwei Unternehmen gegründet, eines mit 16, eines mit 22, die im Lebensmittelbereich und im Versandhandel aktiv sind. Und für mich war natürlich dann, nachdem ich dort ein bisschen Erfolg erlebt habe, klar, dass ich jetzt mal etwas Neues machen möchte, das nächste Unternehmen gründen. Es stellte sich beim ersten Unternehmen dann die Frage: Was machst du jetzt? Die Freunde und Kollegen in der Startup-Szene sagen natürlich immer: Mach einen Exit, so wird man ein Unternehmen los, das ist doch der beste Weg, es loszuwerden. Suche einen Konzern, suche jemanden, der einen möglichst hohen Preis dafür zahlt. Ehrlich gesagt habe ich das auch überlegt, habe auch sogar Leute angesprochen. Aber parallel habe ich in meiner Jugend, während ich das eine Unternehmen aufgebaut habe, sehr genau beobachten können, was eigentlich mit einem Unternehmen passiert, passieren kann wohlgemerkt, wenn es mehrfach verkauft wird. Mein Vater war ärztlicher Direktor in einer Kurklinik, die dreimal verkauft wurde, zum Schluss an einen börsennotierten Konzern, Orphea in Paris. Dort konnte ich erleben, was es bedeutet für eine Kultur, für die Mitarbeiter, die vorher noch immer bester Stimmung waren, mit denen ich vorher noch gerne Silvester gefeiert habe und ich meine Jugend teilweise verbracht habe, Theateraufführungen für die Patienten gemacht habe und so weiter. Ich konnte erleben, was daraus entsteht, wenn plötzlich nicht mehr der Eigentümer vor Ort ist, sondern aus der Konzernzentrale Vorgaben gemacht werden. Von Menschen, die noch nicht einmal das Firmengelände je betreten hatten. Die plötzlich sagen: Lieber ärztlicher Direktor, sie dürfen höchstens vier Minuten mit jedem Patienten im Erstgespräch sprechen. Sie müssen die Hälfte der Mitarbeiter im ärztlichen Bereich kündigen, obwohl Sie 9 Prozent Umsatzrendite machen aber wir haben leider einen sehr hohen Preis für diese Klinik gezahlt. Wir müssen es jetzt leider doch noch ein bisschen mehr ausquetschen, denn sonst passt unsere Rendite nicht. Da könnte ich jetzt noch eine lange Leidensgeschichte erzählen. Für mich war auf jeden Fall klar, dass das für mich kein Weg ist und ich habe gesagt: Das darf in meinem Unternehmen nicht passieren. Das will ich meinen Mitarbeitern nicht zumuten. Das will ich den Kunden und den Lieferanten nicht zumuten.

00:04:24
Peter May: Lieber Herr Steuernagel, darf ich an dieser Stelle mal kurz einhaken? Als Verfechter eines sozialen Kapitalismus, eines dem Gemeinwohl verpflichteten Kapitalismus, höre ich das natürlich unglaublich gerne. Aber die Frage, die ich stelle, ist, gibt es eigentlich viele Armin Steuernagels in der jungen Generation? Wir haben so oft das Vorurteil, dass die jungen Leute heute unglaublich gern Firmen gründen, die ganz schnell auch mit finanzieller Unterstützung nach oben bringen wollen. Und dann verkaufen sie ihre Firmen und dann machen sie etwas ganz anderes mit ihrem Leben.

00:04:58
Armin Steuernagel: Ja, das ist natürlich das Bild, das man hat. Auch weil diese Firmen natürlich besonders gefeiert werden im Handelsblatt und in anderen Zeitungen: Ein großer Exit. Deutschland hat endlich 11 Unicorns. Das ist ja auch toll, ich will das ja auch gar nicht irgendwie in Abrede stellen. Es gibt aber eine deutlich größere Anzahl von jungen Menschen, die aus der Uni kommen oder aus anderen Zusammenhängen, die vielleicht sogar schon einen Exit gemacht haben und sagen: Das will ich nicht. Ich will nicht auf die amerikanische Art ein Startup aufbauen, es jetzt noch mal kopieren, irgendwie haben wir das jetzt auch durch. Wir wollen jetzt langfristig wirtschaftende, mittelständische Unternehmen aufbauen. Und das Interessante ist, dass selbst in Amerika, wo ja unser Silicon Valley Exit Kapitalismus herkommt, dieser Trend inzwischen zunimmt unter dem Stichwort nicht Unicorns, nicht Einhörner wollen wir bauen, sondern Zebras. Zebras sind nämlich erstens nicht so selten wie Unicorns, sondern viel häufiger, sie sind in Herden unterwegs und sie sind viel sozialere Tiere, die es übrigens auch wirklich gibt. Die müssen auch wirklich Gewinne machen und nicht nur die ganze Zeit Verluste und dann für Milliarden aufgekauft werden und so weiter. Also das ist das neue Bild und darum gibt es eine Riesenbewegung, inzwischen auch in Deutschland. Das ist auch das, was mir dann widerfahren ist, als ich mich damit auseinandergesetzt habe: Wie kann ich das jetzt irgendwie anders machen? Ich will eigentlich ein Familienunternehmer werden. Dann war klar, ich will auf jeden Fall nicht den Exit-Weg gehen, auch wenn ich das nicht bei anderen verurteile. Das kam durch dieses Erlebnis bei meinem Vater. Da war klar für mich: Nicht für mein Unternehmen. Ich hatte allerdings noch keine Familie. Und auch mein jetzt anderthalbjähriger Sohn ist dafür wohl noch nicht ganz bereit. Allerdings wollte ich aber auch nicht bis zum Lebensende warten mit irgendeiner Nachfolge und habe mich deswegen umgeschaut, wie ich das machen kann: Kann ich nicht Menschen finden, die dem Unternehmen genauso verbunden sind? Wer mich dann sehr inspiriert hat, ist Robert Bosch. Er war einer der erfolgreichsten Startup Unternehmer dieses Landes, der ein Startup gegründet hat, das heute 400.000 Mitarbeiter hat, der ja auch das Problem hatte, dass er seinen Sohn damals nicht wirklich in der Nachfolge gesehen hat, aber andere Menschen. Treuhänderinnen und Treuhänder, Wahlverwandte sozusagen, in deren Adern zwar nicht das gleiche Blut fließt, aber in deren Herzen die gleichen Werte pochen. Wenn Sie mir diesen Exkurs erlauben, erkläre ich Ihnen kurz, wie ich überhaupt dazu gekommen bin.

00:07:38
Armin Steuernagel: Er hat erst versucht, diesen Treuhändern einfach zu sagen, dass sie jetzt Miteigentümer werden. Er hat Anteile verkauft und Bosch zu einer Aktiengesellschaft gemacht. Sie haben alle Aktien bekommen. Dann hat er aber gemerkt, wie sein langfristiges Denken, dass es jetzt nicht auf den Gewinn morgen ankommt, mehr und mehr verloren ging. Er hat gemerkt, dass sie plötzlich sowohl auf die Verkaufspreise, die möglichen Aktien als auch auf die Dividende im nächsten Jahr gucken. Dass sich das Verhalten so verändert hat, war für ihn ein ziemlicher Schock. Und zwar so sehr, dass Robert Bosch gesagt hat: Schluss mit diesem Experiment, ich kaufe alle Aktien zurück egal wie teuer sie sind und ich wandele die Bosch AG wieder in eine normale GmbH um, weil das sicher nicht der richtige Weg ist. Dann hat er in seinem Testament den Weg vorgeschrieben, der jetzt gegangen wurde, nämlich dass er gesagt hat: Der Grundgedanke ist schon richtig. Ich will, dass Menschen die wahlverwandt sind, das Unternehmen führen und die Kontrolle halten aber ich möchte einen Wert, den ich besonders lebe und aus der Familie kenne, festschreiben. Nämlich den Wert der Treuhänderschaft, das Versprechen, dass wir das Unternehmen führen uns aber nicht das ganze Vermögen aneignen können. Er hat also gesagt: Ihr bekommt die Stimmrechte aber nicht die Gewinnbezugsrechte, nicht die Vermögensrechte. Ihr tretet ein wie bei einer Mitgliedschaft oder Partnerschaft und tretet irgendwann wieder aus. Es gibt da bestimmte Regeln wie das funktioniert nach einer bestimmten Zeit. So könnt ihr dann nicht plötzlich Milliardengewinne oder eine Milliardenbewertung mitnehmen. So bleibt das Unternehmensvermögen dem Unternehmen erhalten. Das hat bei mir gezündet. Das fand ich so genial, dass ich gesagt habe: Genau das brauche ich.

00:09:14
Peter May: Lassen Sie mich bitte da vielleicht noch mal einhaken. Wir kennen alle Robert Bosch, wir kennen dieses großartige Unternehmen und was daraus entstanden ist. Und das hat der Robert Bosch allerdings alles geschafft und gebaut, ohne dass es zu dem Zeitpunkt schon die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen gegeben hätte. Er hat es in der alten Rechtsform GmbH getan. Was hat Sie jetzt dazu veranlasst zu sagen, dass das Bosch Beispiel zwar toll ist als Vorbild, aber dass es wohl nicht für jeden Unternehmer taugt. Dass wir noch etwas extra brauchen? Was ist jetzt der Schritt von Robert Bosch zu ihrem Gesellschaftstypus?

00:09:50
Armin Steuernagel: Erst einmal habe gar nicht drüber nachgedacht, dass es eine Rechtsform braucht. Als ich Bosch kennengelernt habe, war ich so begeistert, dass ich gesagt habe, ich will das auch machen. Ich bin dort hingefahren, hab Interviews geführt, habe meine Masterarbeit darüber geschrieben, noch während ich im Unternehmen gearbeitet habe. Dann habe ich gesagt: Das will ich auch. Dann habe ich diverse Anwälte aufgesucht. Ich muss gestehen, mein Unternehmen war damals auch noch kein riesiges Unternehmen, aber immerhin schon in 50 Ländern aktiv. Natürlich war es damals noch deutlich kleiner. Mir haben natürlich auch viele gesagt dass es viel zu teuer ist. Diese Struktur aufzubauen mit einem Unternehmen, das zwei Millionen Umsatz macht, das sollte man lassen. Das geht nicht. Das macht man als großes Unternehmen. Warum wollen Sie das als Startup machen?. Also diese Fragen kamen natürlich sofort. Ich habe dann versucht, irgendwelche Umwege zu bauen, weil ich mir gesagt habe, dass es so nicht sein kann. Ich habe erst mal überhaupt nicht über die Rechtsform nachgedacht, denn ich bin ja eher Unternehmer. Ich will nicht den Staat zu Hilfe rufen, sondern will es erst einmal selbst machen. Das heißt, dann müssen wir es doch irgendwie hinkriegen. Wenn ich selbst keine Stiftung gründen kann, gibt es denn nicht andere Unternehmer, die das gleiche Problem haben wie ich, so dass wir gemeinsam eine gründen können und sie dann teilen. Das war dann die Idee. Ich habe viele Startup-Gründer gefunden, die das gleiche Problem oder das gleiche Thema hatten wie ich. Die gesagt haben: Erstens sehe ich hier keine Menschen, die für die Nachfolge in Frage kommen, weil sie leiblich verwandt sind. Zweitens wollen wir auch das Versprechen geben, dass das Unternehmen sich selbst treu bleibt. In einer Startup-Welt, in der erwartet wird, dass man einen Exit macht, wollen wir ein anderes Signal setzen, so wie Familienunternehmen es setzen können. Zum Beispiel glaube ich Claus Hipp, wenn er sagt, dass er sein Unternehmen nicht an die Chinesen verkauft. Einem Startup glaube ich das nicht. Denn in den Medien lese ich die ganze Zeit das Gegenteil. Also muss ich ein glaubhaftes Signal senden für meine eine Millionen Online Nutzer. Oder nehmen sie das Beispiel mit den nachhaltigen Trinkbechern mit Pfandsystem. Das kleine Café um die Ecke, das mit Recup arbeitet, möchte sich darauf verlassen können, dass das Unternehmen nicht morgen Starbucks gehört. Ich muss also etwas rechtlich versprechen, was Familienunternehmen schon über Generationen versprechen und dadurch glaubhaft werden. Nur habe ich nicht 100 Jahre Zeit wie ein Hipp um glaubhaft zu werden. Ich muss schneller sein und deswegen will ich rechtlich verbindlich versprechen, ich bin Treuhänder, ich kann mir ein gutes Gehalt entnehmen, ich bekomme auch eine gute Gründerkompensation, ich bekomme eine gute Pension. Es geht nicht darum, dass ich sagen will: Ich bin ab jetzt ein Mönch, sondern ich will sagen, dass das Unternehmensvermögen dem Unternehmen dient. Das heißt, diese ganzen Leute haben wir gefunden und haben dann eben überlegt, ob wir irgendwie einen Weg finden können, ohne eine Rechtsform, ein Unternehmen wie Bosch nachzubauen. Wir sind daran kläglich gescheitert. Wir haben alle möglichen Lösungen ausprobiert. Aber es ist eine Bürokratie, es ist eine Diskussion mit dem Finanzamt. Es sind einfach Jahre an Aufwand, an Idealismus, die da drinstecken.

00:13:00
Peter May: Was ich verstanden habe, der Gedanke ist ganz klar, das große Vorbild ist Robert Bosch. Wir brauchen Bosch light, weil nicht jeder so groß ist, dass er diese aufwendigen Strukturen bauen kann, die das deutsche Rechtssystem bis jetzt zur Verfügung stellt, um das Ziel zu erreichen. Also haben Sie sich für einen neuen Weg entschieden. Können Sie unseren Zuhörern ganz kurz mit ein paar wenigen Sätzen skizzieren, was so die Kerninhalte dieses neuen Weges der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen ist?

00:13:35
Armin Steuernagel: Ja vielleicht zunächst noch einmal, nachdem wir sozusagen so viel da herum gebaut haben, haben irgendwann tatsächlich ein paar Unternehmer und auch Politiker zu uns gesagt: Also ihr konstruiert da so komplizierte gesellschaftliche Konstrukte. Was ihr eigentlich braucht ist ein passendes Rechtskleid. Und das hat uns dann sehr eingeleuchtet und wir haben uns ein oder zwei Jahre lang mit einer Arbeitsgruppe von Unternehmern getroffen. Da war Götz Rehn von Alnatura dabei, viele Mittelständler aus NRW, Startup-Unternehmer und Juristen. Wir haben überlegt: Wie müsste denn das eigentlich anders aussehen? Und was herausgekommen ist, ist eigentlich eine ganz simple Erweiterung des Gesellschaftsrechts, nämlich eine neue Rechtsform, die ähnlich wie vielleicht die GmbH funktioniert, mit drei wesentlichen Änderungen, die Sie heute nicht so machen können. Nämlich erstens ist in dieser Rechtsform klar verankert, wenn man reinkommt bekommt man einen Anteil, bezahlt dafür zum Beispiel 1.000 Euro oder mehr, je nachdem, wie viel der Anteil nominal wert ist. Und wenn ich rausgehe, bekomme ich genau das auch wieder. Das heißt, ähnlich wie das bei einer Genossenschaft ist, wie auch im Verein oder auch bei vielen Anwalts-Partnerschaften, habe ich keine Vermögensmitnahme beim Rausgehen. Juristen nennen das „naked in, naked out!“ Ich gehe nackt rein und nackt raus. Warum ist uns das so wichtig? Ganz einfach, damit die Nachfolger, die nicht aus der Familie kommen, das Unternehmen übernehmen können, ohne dass sie sich für Millionen verschulden müssen. Weil wenn ich sozusagen ständig eine Wertsteigerung habe und dann plötzlich reingehe für 1.000 und rausgehe mit zwei Millionen, dann muss sich der nächste mit zwei Millionen verschulden. Und woher kriegt er diese zwei Millionen? Aus dem Unternehmen. Das heißt, er belastet sofort das Unternehmen. Das Unternehmen muss das verdienen. Wenn er raus geht, geht er für vier Millionen raus, der Nächste muss sich noch höher verschulden und so weiter. Der Pool an potenziellen Nachfolgern wird immer kleiner, weil natürlich auch viele, die nicht in einem Unternehmer-Kontext geboren sind, gar nicht gewöhnt sind, sich für Millionen zu verschulden. Das heißt, das war für uns sozusagen ein wichtiger Punkt. Das ist Punkt Nummer eins. Der Punkt Nummer zwei ist, das Folgendes klar geregelt ist: Ich kann natürlich die Vermögensmitnahme beim Rausgehen und auch zwischendurch nicht machen. Ich kann nicht das Unternehmen schnell ausräumen und alles verkaufen, was drin ist und alle Gewinne rausnehmen, weil sonst wäre diese Regel einfach umgehbar. Stattdessen gibt es eine klare Regel, die besagt, dass ich mir für Leistung Geld entnehmen kann, aber nicht für keine Leistung. Sprich, wenn ich im Unternehmen arbeite, wenn ich dem Unternehmen ein Darlehen gebe, wenn ich eine Bürgschaft gebe, weil ich sage, dass das Unternehmen eine Bürgschaft braucht, mein Haus zum Beispiel, und so weiter, dafür darf ich mich entsprechend Risiko adäquat entlohnen. Ich darf mir auch ein gutes Geschäftsführergehalt oder Tantiemen bezahlen aber ansonsten bleibt das Unternehmensvermögen für die Unternehmensentwicklung weiterhin frei. Das ist sozusagen der zweite Grundsatz.

00:16:32
Peter May: Kurze Zwischenfrage. Wer kontrolliert in Ihrem Modell die Angemessenheit dieser Vergütungen?

00:16:38
Armin Steuernagel: Das ist eine sehr wichtige Frage. Darüber könnte man natürlich sehr schnell das Modell auseinandernehmen. Bei der Angemessenheit der Vergütung gibt es zum Glück schon sehr umfangreiche Tabellen von verschiedenen Instituten, die von den Finanzämtern und von den Gerichten herangezogen werden, wenn man diskutiert, ob das eigentlich verdeckte Gewinnausschüttung oder nicht verdeckte Gewinnausschüttung ist. Auf der einen Seite sind es die Finanzämter, die das kontrollieren, zusätzlich gibt es da noch eine Governance Regel. Diese besagt zurzeit, dass ich jedes Jahr neben meiner Bilanz, die mein Wirtschaftsprüfer oder mein Steuerberater mir attestiert, noch einmal aufschreibe, was die Gesellschafter für Bezüge haben und warum das aus meiner Sicht marktkonform ist. Und dann muss das überprüft werden von einem Wirtschaftsprüfer, der einschätzt ob es marktgerecht ist. Dieser ist dann auch haftbar, falls er das falsch macht. Und dann wird das Ganze einer unabhängigen Kontrollstelle zugeleitet, die das Recht hat, nochmal drüber zu schauen und im Notfall zu klagen und zu sagen, dass die Vermögensbildung hier nicht eingehalten wird. Im Notfall kann dann das Unternehmen dann gezwungen werden, sich aufzulösen. Der dritte Punkt ist, dass nur natürliche Personen Gesellschafter werden. Denn die ganze Idee dahinter ist ja nicht, dass ich jetzt das Unternehmen an den nächsten Finanzinvestor verkaufe, sondern die Idee ist, dass hier immer eine Wahlverwandtschaft, dass hier Menschen drin sind. Deswegen, nur natürliche Personen dürfen Gesellschafter werden und, ähnlich wie bei der Anwalts-Partnerschaft, wenn ich jetzt ausscheide und zum Beispiel meinen Anteil vererben möchte, dann haben die anderen bestehenden Partner das Recht zu sagen: Wollen wir diese neue Person überhaupt an Bord haben? Weil in einer Wahlverwandtschaft zum Beispiel in einer Partnerschaft oder einem Architekturbüro kann ich bei einem top eingespielten Team nicht einfach sagen, dass mein Sohn jetzt mitarbeiten muss. Auch wenn dieser kein Anwalt ist und ihr ihn alle nicht leiden könnt. Das geht natürlich nicht, sondern die Partner bestimmen entsprechend mit. Und so ist das hier auch.

00:18:54
Peter May: Vielen Dank! Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das eine Menge an Reaktionen ausgelöst hat. Können Sie kurz schildern, wie haben die verschiedenen Interessengruppen darauf reagiert und weil wir einen Podcast für Familienunternehmer machen, wie war insbesondere die Reaktion aus dem Lager der traditionellen Familienunternehmer zu dieser Erweiterung des bestehenden Spektrums? Haben die darin einen Angriff gesehen oder eine willkommene Unterstützung?

00:19:20
Armin Steuernagel: Beides. Es hat auf jeden Fall polarisiert, das hat man ja auch ein bisschen mitbekommen in den Medien. Es gibt auf der einen Seite extrem viele, die das sehr unterstützen und die sagen, dass das eine super Erweiterung ist. Ich habe Anrufe von Menschen bekommen, die sagten, dass das genau das ist was sie brauchen. Ich glaube wir haben den Fehler gemacht, dass wir diese technische Erweiterung, diese Rechtsform, welche eine andere Technik ermöglicht, vorgeschlagen haben, und sie mit einem Namen belegt haben, der Emotionen geweckt hat. Nämlich Verantwortungseigentum. Wir kamen von dieser Idee: Wir halten hier Eigentum. Das ist uns wichtig zu sagen, es geht hier nicht um kein Eigentum, aber es ist Eigentum an Verantwortungsrechten und nicht an den Vermögensrechten. Deswegen dieser Name. Und natürlich kann man ihn deskriptiv verstehen, als Eigentum an Verantwortungsrechten. Man kann ihn aber eben auch, und das haben wir unterschätzt, moralisch verstehen und sagen: Wir sind die Verantwortlichen, alle anderen natürlich nicht. So haben wir es nie gemeint. Wir haben auch in der ersten Publikation und im ersten Aufruf, den wir gemacht haben, dass so etwas in Deutschland eingeführt wird, klar geschrieben: Familienunternehmen leben Verantwortungseigentum, wir wollen das auch leben können und wollen davon einen Teil institutionalisieren. Wir haben das recht klar geschrieben, aber trotzdem, der Name war da, die Diskussion war da und deswegen haben wir, so würde ich sagen, eine gewisse Polarisierung. Auf der einen Seite viele Familienunternehmen, die sagen, dass das super ist und es genau das braucht, sowohl für uns, aber vor allem auch für Startups. Und sie finden es auch eine tolle Sache, dass unsere Familienunternehmensidee, in der Startup-Welt, die sonst Silicon Valley getrieben ist, weiterleben kann, mit der Idee der Wahlverwandtschaft. Deswegen haben inzwischen auch 1.200 Familienunternehmen und andere Unternehmer ein Aufruf unterschrieben, dass so etwas eingeführt wird. 72 Prozent der Familienunternehmen haben in einer repräsentativen Umfrage des Allensbach Instituts gesagt, dass sie dafür sind, dass so eine Rechtsform eingeführt wird. Sie haben über 400 45-minütige Interviews mit repräsentativ ausgewählten Familienunternehmern geführt. Denen wurde ganz genau erklärt, was genau wir wollen, jedes einzelne Element, was ich ihnen auch gerade erklärt habe. Die haben das verstanden und auf der Basis dieses tiefen Verständnisses wurden sie am Ende gefragt, ob sie dafür sind, dass diese Rechtsform kommt oder nicht. 16 Prozent haben gesagt: Nein, da sind wir dagegen. 72 Prozent haben gesagt: Da sind wir dafür. Das heißt, wir sehen eine überwältigende Mehrheit, die das befürwortet. Gleichzeitig muss ich aber sagen, bei den Interessensverbänden sieht es anders aus. Die Stiftung Familienunternehmen und auch die Familienunternehmer e.V. haben sich klar dagegen ausgesprochen. Was sind die Gegenargumente? Die Gegenargumente reichen von Das brauchen wir einfach gar nicht, weil man das heute schon mit Stiftungen machen kann. Also ist es einfach unnötig, bis zu dem Argument des Verband Die Familienunternehmer das besagt, dass das eine Aushöhlung des Eigentumsbegriff sei, dass man hier einen Eigentumsbegriff salonfähig macht der mit Eigentum nichts mehr zu tun hat. Das wurde uns vorgeworfen. Also wortwörtlich hat ein Vertreter auf einer Veranstaltung mit uns in der Diskussion gesagt: „Ihr seid keine Unternehmer mehr, denn ihr könnt das Unternehmen ja nicht ausräumen. Nur wenn man das Unternehmen juristisch auch wirklich ausräumen kann“ - also Herr Herrfurth hat das gesagt - „dann ist man auch Unternehmer“.

00:22:54
Peter May: Jetzt würde ich gerne einen Gedanken mit ihnen teilen, der mich in dem Zusammenhang beschäftigt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es Unternehmer gibt, die diesen Gedanken für ihre Familie ablehnen und sagen: „Ich möchte mein Eigentum an meine Kinder geben“. Ich kann mir genauso vorstellen, dass es Familienunternehmer gibt, die sagen: „Das ist eine wunderbare Idee, auch in Bezug auf meine Kinder, das ist ähnlich wie eine Stiftung. Ich gebe ihnen die Verantwortung für das Unternehmen. Ich gebe ihnen aber nicht die Möglichkeit, das auszuhöhlen, zu verkaufen. Das ist treuhänderisches Eigentum“. Aber jetzt kommt‘s, ich kann mir auch vorstellen, dass es Familienunternehmer gibt, die sagen: „Ich würde das beides gerne miteinander kombinieren. Auf der einen Seite vielleicht sogar die Mehrheit in ein treuhänderisches Eigentumsverständnis übergeben“, so wie Sie es geschildert haben, „aber auf der anderen Seite, dass meine Kinder daraus eine Versorgung ziehen können, auch im Sinne der Tatsache, dass sie Anteile verkaufen können oder dass sie Dividenden beziehen können. Das würde ich Ihnen schon gerne zuwenden. Also für mich wäre die beste Lösung die Kombination der beiden Modelle“. Ist das in Ihrem Modell möglich?

00:24:00
Armin Steuernagel: Ganz klar ja. Natürlich kann man sich fragen: Wie soll das möglich sein? Sie haben doch gerade erzählt, man kann die Gewinne nicht entnehmen. Das ist insofern möglich, dass man die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen als Gesellschafter begreift, einer normalen GmbH. Nehmen wir mal an, wir machen die Familien GmbH XY, die produziert etwas und dann sagt man: So wie viel Prozent will ich denn jetzt in treuhänderisches Eigentum geben? Zum Beispiel 40% oder 50% tue ich da rein und dann sage ich: Die anderen Anteile, die gebe ich jetzt der Familie, in egal welcher Form, vielleicht hänge ich noch eine KG dazwischen oder was weiß ich, wie ich das am besten gestalte. Aber dann kann ich genau das machen. Ich kann sogar noch einen Schritt weitergehen. Wir sehen das ja bei Merck sehr schön, nämlich die Möglichkeit auch an die Börse zu gehen als Familienunternehmen und trotzdem die Kontrolle zu erhalten, dafür gibt es ja die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Und auch hier kann ich natürlich sagen: Ich mache eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen und Co. KG auf Aktien. Sprich ich halte die Kontrolle treuhänderisch und sage: Über dieses Unternehmen entscheiden nicht die, die das meiste Geld auf den Tisch legen, gerade an der Börse und ich will auch keine feindlichen Übernahmen zulassen, sondern das sind Treuhänderinnen und Treuhänder. Gleichzeitig will ich aber, dass das Kapital auch über die Börse in das Unternehmen kommen kann. Das heißt, dann kann ich natürlich solche Kombinationen fahren. Übrigens wird das sehr erfolgreich in Dänemark gemacht. Da wird mit Stiftungslösungen gearbeitet, darauf können wir ja gleich noch zu sprechen kommen. Warum dort Stiftung mit Börse kombiniert wird. Bei Carlsberg, Novo Nordisk, die größten Börsen Konzerne in Dänemark zum Beispiel. 60 Prozent des Wertes des dänischen Börsen Index gehört zu Unternehmen in treuhänderischem Eigentum, wo die Mehrheit der Stimmrechte entsprechend treuhändisch gehalten sind.

00:25:45
Peter May: Sie haben gerade das Stichwort Stiftung selbst schon genannt. Sie wissen, ich habe mich ja auch öffentlich dazu geäußert. Ich unterstütze Ihren Gedankengang voll und ganz, habe mir nur die Frage gestellt, ob man das gleiche Ergebnis nicht hätte leichter und am Ende flexibler erreichen können, wenn wir nicht eine neue Rechtsform schaffen würden, sondern das Stiftungsrecht um ein weiteres, dann sehr flexibel zu handhabendes Instrument zu erweitern, nämlich eine sogenannte Unternehmens-Stiftung, die uns dann auch alle Möglichkeiten gibt. Was antworten Sie einem Peter May auf diese Frage?

00:26:20
Armin Steuernagel: Wir haben uns darüber natürlich auch Gedanken gemacht. Das war das Allererste. Als wir gemerkt haben, dass sich was ändern muss, haben wir erst einmal ein Screening gemacht und uns gefragt: Wie geht man vor? In Dänemark wird das mit Stiftungen gemacht, deswegen haben wir das als erstes auch in Betracht gezogen. Ich bin auch weiterhin ein Fan davon, dass wir eine Unternehmensstiftung schaffen, so wie Sie das vorschlagen, da können wir uns gerne gemeinsam für einsetzen. Ich glaube aber inzwischen, dass es trotzdem eine gesellschaftsrechtliche Form braucht. Ich kann ich ihn auch gerne sagen warum. In der Beschäftigung mit der Stiftung ist uns noch mal klar geworden, und darauf hat uns auch das Justizministerium hingewiesen, dass die Stiftung vor 500 Jahren erfunden wurde. Das kam aus dem kirchlichen Kontext mit folgender Idee: Es gibt einen Stifter/in, der/die hat einen Willen, der wird festgesetzt, das ist der Stifterwille und der soll jetzt auf ewig festgesetzt bleiben. In Zukunft soll es Verwalter geben, die diesen Willen umsetzen, der sogenannte Stiftungsrat. Dann gibt es eine Aufsicht, die noch mal von außen diesen Verwaltern auf die Finger klopft, wenn sie nicht dem Stifterwillen folgen. Das ist also die Geste. Natürlich ist das keine sehr unternehmerische Geste. Jetzt kommen wir daher und sagen, wir wollen Eigentümer sein, wir wollen schöpferische Zerstörer mit Schumpeter sein, wir wollen das Ganze umkrempeln können, uns interessiert der Stifterwille überhaupt nicht. Und ich will auch dass das meinen Nachfolgern egal ist. Natürlich sollen sie gerne überlegen, was ich gewollt habe, aber sie sollen unternehmerisch im Hier und Jetzt stehen und sagen: Was ist heute los? Sie müssen eventuell, wie man in der Startup-Sprache sagt, einen kompletten Pivot machen. Also uns einmal komplett um uns selbst drehen, um etwas Neues machen. Das muss alles möglich sein. Das ist der Gestus. Und jetzt kann man sagen, der Gestus passt nicht zur Stiftung. Jetzt könnte ich natürlich die Stiftung umbauen, aber wir haben gesagt: Lass uns doch lieber etwas Passendes daneben setzen, etwas Gesellschaftsrechtliches, wo ich tatsächlich Eigentümer habe, die dieses Unternehmen umgestalten können. Nicht wie bei einer Stiftung, die aus sehr guten Gründen viel fester gebaut ist, weil die Idee hinter einer Stiftung ja ist, dass etwas auf ewig bewahrt werden soll. Lasst uns die nicht über die Maßen verbiegen ins Gesellschaftsrecht. Ich kann Ihnen aber noch mehr sagen. Wir haben ja in der Allensbach-Umfrage auch fragen lassen, wie wichtig ist es den Leuten eigentlich, direkt Anteile zu halten? Und da kommt interessanterweise das heraus, was ich auch immer so ein bisschen gefühlt habe. Nämlich, als ich mich mit Bosch beschäftigt habe, war das genau der Punkt, der mir wichtig war. Ich will am Stammtisch sagen können: Ich bin natürlich Eigentümer. Also ich bin nicht irgendein Stiftungsrat oder ich arbeite im Unternehmen. Unten und oben drüber sitzt eine Stiftung, sondern ich bin Miteigentümer. Ich halte die Anteile. 82 Prozent, also mehr Leute als die, die für die Rechtsform sind, haben gesagt: Das ist uns verdammt wichtig. Das ist ein Motivator. Gar nicht speziell, die Gewinne rausnehmen zu können, denn da haben viele gesagt, dass sie gut finden, dass die Gewinne gebunden werden an das Unternehmen. Aber diese Unmittelbarkeit, diese Identifikation ist wichtig. Welcher Unternehmer kennt das nicht? Das ist, brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären. Und ich glaube durch die Stiftung werde ich immer ein Stück weit hochgerückt. Es ist sogar so im Stiftungsrecht, dass ich offiziell, wenn ich nicht eine komplizierte Doppelstiftung mache, gar nicht in der Stiftung sitzen und operativ tätig sein darf, weil Finanzamt sofort sagt, dass das eine Kontamination der Stiftung ist.

Und jetzt, last but not least, ich bin auch gleich durch mit der Thematik, wollte es nur ausführlich erklären, da es ein valides Argument ist, denn oft wird gesagt: Nehmt doch die Stiftung. Herr Binz und ich glaube Sie auch, sagen, die Stiftung macht Sinn ab 30 Millionen Umsatz, dann kann man so eine Konstruktion machen. Das betrifft heute ein Prozent der Unternehmen. Wenn wir eine Lösung haben wollen, die keine Doppelstock-Lösung ist, wo man sagt, man hat eine Stiftung oben und Unternehmen unten, sondern wir starten als Start-up, genauso wie die GmbH, ganz einfach innerhalb von einer Woche gegründet. Und wir wollen nur eine Sache versprechen, nämlich dass das Unternehmen einer Aufgabe dient und wir Treuhänder sind und nichts sonst. Dann ist eben das Gesellschaftsrecht der richtige Ort. Aber bitte, auch gerne die Stiftung flexibilisieren.

00:30:38
Peter May: Also ich freue mich schon sehr darauf, wenn wir beide diesen Gedanken an anderer Stelle noch mal miteinander ausdiskutieren können. Ich sage im Moment mal nur so viel, mir schwebt ja tatsächlich eine neue, eine vereinfachte Stiftungsform vor. Aber am Ende ist es gar nicht so wichtig, dass man allzu lange um den richtigen Weg streitet. Wichtig ist, dass man das Ziel, was sie definiert haben, dass wir dieses Ziel tatsächlich in ganz naher Zukunft erreichen können. Deshalb erlauben Sie mir, unseren heutigen Podcast, mit einer Frage nach der Umsetzungswahrscheinlichkeit zu beenden. Es gab ja vor einigen Wochen einen großen politischen Auftritt, wo, wenn ich das richtig mitverfolgt habe, Vertreter fast aller politischen Parteien sich hinter ihren Gedanken gestellt haben. Vor der Wahl hat es nicht mehr gereicht. Aber wir haben ja demnächst eine neue Bundesregierung. Sagen Sie unseren Zuhörern doch zum Schluss noch mal, für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass diese neue Rechtsform, die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, in der nächsten Legislaturperiode auch Wirklichkeit wird?

00:31:42
Armin Steuernagel: Das hängt jetzt von den nächsten Wochen ab. Ich bin extrem gespannt auf die Koalitionsverhandlungen, weil dort sicher auch mitentschieden wird, ob es kommt, wie es kommt. Ich würde jetzt im Moment sagen, dass ich einigermaßen guter Dinge bin. Bei der CDU haben wir Menschen, die das klar befürworten, aber wir haben auch Skeptiker dabei. Und bei der SPD haben wir auch einige Befürworter und es steht auch im Wahlprogramm. Das heißt, ich bin da ganz hoffnungsvoll. Und vor allen Dingen ist jetzt auch angekommen, dass wir niemandem irgendwas wegnehmen wollen, das will ich noch einmal betonen. Das ist ja wirklich kein Vorschlag, der irgendjemandem etwas wegnehmen soll, sondern es ist eine Ergänzung. Lars Feld, der ehemalige Wirtschaftsweise und ordoliberales Gewissen von Deutschland, hat das ja noch mal in einem Artikel in der Welt schön klargemacht. So ein Modell würde die die soziale Marktwirtschaft stärken. Es würde uns helfen, unsere dezentrale Marktwirtschaft von vielen, vielen Unternehmen, die heute Nachfolger suchen, zu erhalten, indem wir das Familienverständnis erweitern, dass auch Wahlverwandtschaft zulässig ist. Und deswegen habe ich da große Hoffnung. Ich will aber noch eine Sache ergänzen. Wir sprechen hier ja auch über Familienunternehmen. Vielleicht ist manchmal der Eindruck entstanden dass, wenn ich so etwas mache, dann meine Familie, Sohn und Tochter, raus ist. Das ist nicht der Fall!

00:33:38
Peter May: Warum nicht?

00:33:39
Armin Steuernagel: Wahlverwandtschaft kann ja auch genetische Verwandtschaft heißen. Also Brüder und Schwestern im Geiste können auch die Brüder und Schwestern, die Verwandten im Blute sein, es ist ja keine Exklusivität. Wir haben viele Unternehmer, die sich hierfür einsetzen, die auch heute versuchen, so zu leben mit der Familie. Ich nehme ein Beispiel aus dem Sorpetal, aus dem Wahlkreis von Herrn Merz in NRW - Sorpetaler Fensterbauer in der fünften Generation. Die haben nach der dritten oder vierten Generation entschieden, sie wollen ihr treuhänderisches Eigentum umsetzen. Warum? Weil inzwischen so viele Enkel kommen. Es ist ein 70 Mann Betrieb und es gibt 21 Enkel. Die können nicht alle versorgt werden. Das heißt, man muss irgendwie einen Weg finden, wie man die rauskriegt. Und dort ist trotzdem jetzt in fünfter Generation ein leiblicher Nachfahre drin. Der ist jetzt trotzdem treuhändischer Eigentümer. Bei Bosch ist ja auch Christoph Bosch inzwischen treuhändischer Eigentümer. Also es soll auf keinen Fall ausschließen. Es ist nur eine Erweiterung des Familienverständnisses, nicht eine Ersetzung. Das wollte ich einfach nochmal zum Schluss loswerden.

00:34:42
Peter May: Das ist auch gut so. Lieber Herr Steuernagel, ich danke Ihnen sehr. Zuerst mal für Ihr Engagement. Man merkt, dass durch und durch, wie viel Ihnen das am Herzen liegt, auch warum es Ihnen am Herzen liegt. Ich danke Ihnen auch, dass Sie für unsere Zuhörer das haben wahrscheinlich noch ein bisschen besser verständlich oder deutlich besser verständlich werden lassen, als es bisher war. Ich drücke Ihnen, ich drücke uns allen die Daumen, dass wir in der nächsten Legislaturperiode es tatsächlich schaffen, einen großen Schritt weiterzukommen und das Realität werden zu lassen. Und ich bin ganz sicher, dass Sie Ihren Kampf, Ihr Engagement nicht aufgeben werden, bevor Ihre Idee auch Wirklichkeit geworden ist.

00:35:19
Armin Steuernagel: Da können Sie sicher sein.

00:35:20
Peter May: Ganz ganz herzlichen Dank!

00:35:22
Armin Steuernagel: Herzlichen Dank auch!