Konflikte in Familienunternehmen deeskalieren

Konflikte gehören zum menschlichen Miteinander dazu, die Frage ist nur, wie wir mit ihnen umgehen. Auch in Familienunternehmen sie sind Chance und Risiko zugleich. Es geht um den richtigen Umgang mit einem beginnenden Konflikt, um Auswirkungen auf das Unternehmen und die Familienkonstellation möglichst gering zu halten. 

Karin May


Erstaunlicherweise erlebe ich bei meiner Arbeit immer wieder, dass viele Menschen auf die Frage, was ihnen besonders wichtig ist, mit „Harmonie“ antworten. Die dahinterstehende Intension verstehe ich: „Wenn wir Harmonie zum obersten Prinzip erklären, können wir Konflikte verhindern und damit uns und unsere Familie schützen!“, glauben viele Mitglieder von Inhaberfamilien. Dabei wissen wir doch alle, dass dieser Ansatz unrealistisch ist, weil er eine menschliche Dimension einfach ignoriert. Wir verfolgen alle immer wieder eigene Interessen, die den Interessen und Bedürfnissen anderer zuwiderlaufen. Damit sind Konflikte vorprogrammiert. Meine typische Antwort in der Arbeit mit Unternehmerfamilien an dieser Stelle ist übrigens: „Wir benötigen nicht Harmonie, wir benötigen eine Streitkultur. Wenn Schumpeter vom Unternehmer als kreativem Zerstörer spricht, dann brauchen wir Regeln, wie wir gemeinsam mit diesem dynamischen Prozess des Unternehmertums umgehen können.“

Umgang mit Konflikten

Um Ihnen ein besseres Verständnis zum Umgang mit Konflikten zu geben, möchte ich zunächst aufzeigen, dass wir verschiedene Strategien verfolgen können, wenn ein Streit sichtbar wird:

  • Wir ignorieren oder verdrängen den Konflikt: Unterdrückt und unter den Teppich gekehrt kann er ein System von innen heraus zerstören. Wenn wir nicht miteinander über Konfliktthemen reden, bleibt Interpretationsspielraum. Und dieser führt zu Unterstellungen oder sich selbst bestätigenden Narrativen – am Ende steht manchmal der blanke Hass.
  • Wir sprechen mit Dritten über den Konflikt, die nicht daran beteiligt sind, aber alle Beteiligten gut kennen: Auf diese Weise schaffen es manche Familien, aus einem kleinen Feuer einen Flächenbrand werden zu lassen. Denn plötzlich beziehen Personen Stellung und verschärfen den Konflikt, die ursprünglich gar nichts damit zu tun hatten. Und es wird immer schwieriger, das ursprüngliche Problem vom Tisch zu bekommen.
  • Wir setzen uns mit den am Konflikt Beteiligten an einen Tisch und stellen uns dem Konflikt-Themen: Gibt es eine gute Kultur in einer Gemeinschaft, Konflikte zu bearbeiten, dann gelingt es im Idealfall, im Gespräch miteinander die Ursachen des Konflikts herauszuarbeiten und Lösungsmöglichkeiten zu finden, die für alle Beteiligten einen tragfähigen Kompromiss darstellen. Die Fähigkeit zur Kommunikation auf Augenhöhe, die den Gesichtsverlust eines/einer der Beteiligten verhindert, ist Grundvoraussetzung für diesen Weg.
  • Wir suchen uns für die Bearbeitung des Konflikts einen dritten – neutralen – Moderator, der zu allen Beteiligten eine Äquidistanz hat, von ihnen als Autorität akzeptiert wird und im Idealfall die Kompetenzen eines Mediators mit einbringt: Diese Vorgehensweise empfiehlt sich, wenn der Konflikt so weit eskaliert ist, dass die Beteiligten ohne neutrale Dritte nicht mehr lösungsorientiert arbeiten können. Geht es um Macht, um Recht haben, um Revanchespiele aus der Vergangenheit, dann ist die Eskalationsspirale – leider – vorprogrammiert. Die Moderation durch Dritte ermöglicht nicht nur eine Deeskalation und eine inhaltliche Lösung des Konfliktthemas. Die Beteiligten lernen darüber hinaus, besser miteinander umzugehen und zu kommunizieren. In diesem Sinne ist der Weg auch das Ziel. Diese Art der gemeinsamen Entwicklung ist nur über die Auseinandersetzung mit sich und den anderen möglich.
  • Wir benötigen einen Schiedsmann, weil der Konflikt so hoch eskaliert ist, dass er im Gespräch mit den Beteiligten nicht mehr lösbar erscheint: Diese Art der Lösung von hoch eskalierten Konflikten hilft, wenn und soweit sich die Konfliktparteien auf eine Person einigen können, deren Schiedsspruch sie dann akzeptieren. Zumindest ein Rest von Autonomie der Beteiligten bleibt hier gewahrt.
  • Wir suchen uns einen Anwalt und gehen vor Gericht: Befindet sich ein Konflikt auf der höchsten Eskalationsstufe, dann ist es den Beteiligten gleichgültig, ob sie ihr Gegenüber, sich selbst und das Umfeld mit in den Abgrund ziehen. Sie stehen sich sprichwörtlich „mit Messern gegenüber“. Eine Deeskalation ist auf dieser Stufe oft nicht mehr möglich, eine Beendigung des Konflikts erfolgt durch eine Entscheidung von außen, die immer Verlierer produziert, oft auch emotional, oder durch einen Akt der Zerstörung.

 

Was hilft aus unserer Sicht?

Wie wir in unserer Arbeit sehen können, gehen Unternehmerfamilien, die den Prozess der Erstellung einer Familienverfassung durchlaufen haben, durch die Beschäftigung mit den Themen des Umgangs miteinander, der Kommunikation und des Handelns bei Konflikten wesentlich besser mit aufkommenden Differenzen um. Gute Kommunikation hat viel mit Bewusstsein, aber auch mit Wissen und Einüben zu tun.

Kommt es aber zu einem Konflikt, für dessen Lösung eine externe Moderation sinnvoll erscheint, erweist sich die Mediation als hilfreiches Instrument. Es sollten aus unserer Sicht bei der Mediation in Familienunternehmen allerdings einige Besonderheiten beachtet werden:

  • Konflikte in Unternehmerfamilien erweisen sich insofern als besonders gefährlich, weil sie in der Regel in einem der beiden Systeme Familie und Unternehmen entstehen und dann das andere System quasi mit infizieren. Ein Konflikt in der Familie kann auf das Unternehmen durchschlagen, ein Konflikt im Unternehmen kann umgekehrt den Familienzusammenhalt zerstören. Weil Unternehmerfamilien mit diesem Spannungsfeld umgehen müssen, sollten diese Konflikte mit einer besonderen Sensibilität und Kompetenz behandelt werden.
  • Konflikte in Unternehmerfamilien zeigen oft nur die Spitze eines Eisbergs. Im Mediationsprozess machen wir oft die Erfahrung, dass der Konflikt nur deshalb entstanden ist, weil es zu wichtigen Themen in Familie oder Unternehmen keine Regeln gibt oder diese jedenfalls den Beteiligten nicht bekannt sind. Hier hilft es, das Blickfeld zu erweitern und den Konflikt wirklich als Chance zu sehen, neben den sichtbar gewordenen Themen auch den „ganzen Eisberg“ anzuschauen. Dazu bietet es sich oft an, den Personenkreis auf die ganze Unternehmerfamilie oder zumindest auf wesentliche Teile zu erweitern.
  • Bei der Bearbeitung eines Konflikts treten oft alte Wunden zutage, die über Generationen weitergetragen wurden. Mit diesen Wunden muss eine Familie achtsam umgehen, wenn sich nicht eine Generation sogar therapeutisch diesen Themen stellen will.

Fazit

Unternehmerfamilien sollten sich trauen, bei Konflikten genau hinzuschauen. Oft gibt es eine gute Konfliktlösungskompetenz in der Familie. Mit Hilfe einer Mediation haben sie die Chance, nicht nur das Sachthema anzusehen und zu lösen, sondern auch einander wieder näher zu kommen, Missverständnisse auszuräumen und vielleicht sogar eine Win-Win-Situation herzustellen, um dann gemeinsam die Zukunft zu gestalten.