Warum Kommunikation oft so schwierig ist

Wenn die Kommunikation innerhalb der Familie gestört ist, kann das bei Inhabern eines Familienunternehmens schnell Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Karin May erklärt anhand des Kommunikationsmodells von Friedemann Schulz von Thun, wie alle Beteiligten die unterschiedlichen Seiten einer Botschaft verstehen können.  

Karin May

 

In unserem Beratungsalltag treffen wir in der Regel auf Unternehmerfamilien, die sehr um einen guten Umgang miteinander bemüht sind und die versuchen, die Kommunikation miteinander zu verbessern. Aber trotz aller Bemühungen und guten Vorsätze entstehen häufig Missverständnisse, die nicht selten in ernsthaften Konflikten eskalieren. Ich möchte Ihnen anhand von konkreten Beispielen aufzeigen, warum Kommunikation oft etwas anderes auslöst als beabsichtigt, und Ihnen Hinweise geben, wie Sie die Tücken des „Miteinander reden“ umgehen können.

Regeln für die Kommunikation helfen, reichen aber nicht

Wenn wir mit Mandanten über Werte und Ziele oder über eine gelingende Kommunikation sprechen, fallen oft Begriffe wie Offenheit, Vertrauen und Klarheit. Dies geschieht nicht selten vor dem Hintergrund alter Verletzungen und entspringt dem Wunsch, in Zukunft besser miteinander umzugehen. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, ist die Vereinbarung von verbindlichen Regeln für die Kommunikation innerhalb der Familie. Diese Regeln können zum Beispiel die Anwendung des „aktiven Zuhörens“ enthalten oder die Bitte, den anderen ausreden zu lassen und seine Aussagen nicht zu bewerten. Auch die Bereitschaft, sich einmal „auf den Stuhl des anderen zu setzen“ oder die Fähigkeit, „den Hut deutlich zu machen, den man aufgesetzt hat“, verbessern oft das Verständnis innerhalb der Familie.

Als schwierig erweist es sich allerdings, wenn Familien sich vornehmen, „auf der Sachebene zu bleiben“ oder „nur sachlich zu kommunizieren“ – verbunden mit der Hoffnung, dadurch Verletzungen vermeiden zu können. Die Herausforderung ist bei Unternehmerfamilien besonders groß, da sich diese im systemischen Spannungsfeld von Familie und Unternehmen bewegen und es damit reichlich Gründe für Missverständnisse gibt. Die Erfahrung zeigt, dass auch eine Botschaft, die als sachliche Aussage gewollt ist, nicht selten starke ablehnende Reaktionen bei anderen Familienmitgliedern auslöst.

Eine Botschaft hat vier Seiten

Warum das so ist, verdeutlicht der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun am Modell der „vier Seiten einer Botschaft“: Wenn wir kommunizieren, dann gibt es neben der Sachebene immer auch eine Beziehungsebene, eine Ebene der Selbstoffenbarung und eine Appellebene. Das bedeutet, dass beim Gegenüber nicht nur das ankommt, was ich auf der Sachebene sagen möchte, sondern auch – oft ungewollt und auf einer anderen Ebene – vieles mehr. Vieles von dem, was wir dabei ausdrücken, ist uns nicht einmal bewusst. Wenn wir uns also wünschen, lediglich auf der Sachebene zu kommunizieren, ist dieser Gedanke zwar nachvollziehbar, faktisch läuft aber ein komplexer Prozess ab. Noch komplizierter wird die Situation dadurch, dass der Empfänger eine Botschaft auch mit „vier Ohren“ empfängt, dem Sach-Ohr, dem Beziehungs-Ohr, dem Selbstoffenbarungs-Ohr und dem Appell-Ohr. Und der Empfänger der Nachricht hat die freie Wahl, auf welcher Seite der Nachricht er hören will.

 

 

Was das für unser Miteinander bedeuten kann, möchte ich anhand eines Beispiels aus unserer Praxis zeigen: Die Schwestern Anna und Luise arbeiten beide im Familienunternehmen. Als Luise krank wird, ruft Anna sie an und fragt: „Wie geht es Dir? Wann glaubst Du, wieder ins Büro kommen zu können?“. Eigentlich eine einfache Frage, wenn man die vier Seiten einer Botschaft außer Acht lässt. Anna wollte wissen, wie viele Tage Luise zu Hause bleiben muss (Sachebene). Sie macht sich Sorgen (Selbstoffenbarung), möchte eine nette große Schwester sein (Beziehung) und denkt vielleicht sogar, dass Luise sich gut auskurieren soll (Appell). Was aber kam tatsächlich bei Luise an? Meine (große) Schwester will wissen, wann ich wieder meinen Job machen kann und im Büro funktioniere – auf allen Ebenen etwas anderes als das, was Anna sagen wollte.

Aus dieser zunächst banalen Situation ist ein Konflikt entstanden, der die weitere Zusammenarbeit der Schwestern erst einmal erschwerte.

Ähnliche Beispiele für eine unglücklich verlaufende Kommunikation lassen sich auch reichlich zwischen den Vertretern verschiedener Generationen finden. Eltern geben ihren Kindern zum Beispiel ausdrücklich die Freiheit zu einem eigenständigen Leben (Sachebene), appellieren dabei aber unmerklich auf einer zweiten Ebene an die Verantwortung ihrer Kinder für das Unternehmen – oder die Kinder „hören“ diesen Appell, auch wenn er nicht gewollt ist. Manchmal interpretieren Kinder die Beteuerung der Eltern, dass diese alle Kinder gleich lieben, falsch und fühlen sich trotzdem ungerecht behandelt und nicht geliebt, also auf der Beziehungsebene zurückgesetzt, und dies, obwohl die Eltern diese Ungerechtigkeit weit von sich weisen würden. Dies alles macht eine Kommunikation innerhalb von (Unternehmer)Familien ausgesprochen anfällig für Konflikte.

Wir können die verdeckten Botschaften offenlegen

Eine Verbesserung der Gesprächskultur gelingt meiner Erfahrung nach vor allem dann, wenn sich im ersten Schritt alle Beteiligten des Risikos von fehlerhaftem Senden und Empfangen von Botschaften und damit des Risikos von Missverständnissen bewusst sind. Im zweiten Schritt spielt die Fähigkeit, sich über diese Herausforderungen auch auf der Metaebene auseinanderzusetzen, eine wichtige Rolle. Gute Kommunikation findet also statt, wenn wir es schaffen, auch die verdeckten Ebenen unserer Botschaften offenzulegen, nachdem wir uns selbst über diese klar geworden sind.

Um zu verdeutlichen, was das heißt, möchte ich unser Beispiel weiterdenken: Auf die Schwestern bezogen bedeutet das, die wirklichen Gedanken und Gefühle offenzulegen. „Liebe Luise, wie geht es Dir? Ich mache mir Sorgen um Dich! Und bitte kurier Dich gut aus, bevor Du wieder ins Büro kommst.“ Diese offene und ehrliche Art der Gesprächsführung fällt uns in der Regel noch relativ leicht. In der Frage der Nachfolge ist eine offene Kommunikation schon deutlich schwieriger. Familienunternehmen sind oft heimlich rivalitätsorientiert. Dazu kommt in vielen Fällen eine starke Ausrichtung aller Familienmitglieder auf das Unternehmen. Sich dieser Zusammenhänge bewusst zu werden, hilft im ersten Schritt. Auf der Grundlage dieser (Selbst)Erkenntnis lässt sich dann leichter darüber sprechen, dass es in einer Unternehmerfamilie nicht nur um das Glück des Einzelnen, sondern auch um den Fortbestand des Unternehmens geht. Die weitere Frage, die im Raum steht, ist die nach der gemeinsamen Verantwortung für dieses: Soll das Unternehmen in der Inhaberschaft der Familie fortgeführt werden, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen? Wenn dem nicht alle Beteiligten zustimmen, werden die Herausforderungen für die Familie schnell sichtbar. Auf der Metaebene bedeutet das: Wenn alle Aspekte im gemeinsamen Gespräch ruhig und sachlich ausgesprochen werden, bringen die Beteiligten damit ihre unterschiedlichen Interessen und Perspektiven auf die Sachebene. Erst dann ist die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen aller Familienmitglieder und den für das Unternehmen relevanten Rahmenbedingungen möglich. Diese Art der Kommunikation reduziert das Risiko von Missverständnissen aufgrund von verdeckten Appellen. Wird also etwa aus einem verdeckten ein offener Appell, ist das für eine gemeinsame Problemlösung der erste wichtige Schritt.

Wenn eine Familie sich also sinnvolle Kommunikationsregeln gibt und sich an diese hält und dabei gleichzeitig alle Beteiligten ein Bewusstsein für die verschiedenen Ebenen der Kommunikation entwickeln, kann gute Kommunikation gelingen und eine vertrauensvolle Offenheit schaffen.

 

* Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden: 1, Rowohlt, Hamburg, 56. Auflage, 2019